Mehr Polizeipräsenz rund um die Flüchtlingsunterkünfte kann Beitrag zur Integration sein

Nach einem Moment der Schockstarre hat sich die rot-grüne Koalition im Hamburger Rathaus entschlossen, die politischen Herausforderungen, die sich aus der deutlich gestiegenen und dauerhaft hohen Zahl von zugewanderten Flüchtlingen ergeben, perspektivisch anzugehen. Freundlicher ausgedrückt: Es ging in den vergangenen Monaten selbstverständlich vor allem (und geht immer noch) darum, den vor Krieg und Terror geflüchteten Männern, Frauen und Kindern ein einigermaßen menschenwürdiges Obdach zu bieten und sie mit dem Nötigsten zu versorgen. Das war und ist in der Kürze der Zeit schwer genug. Wer aber davon ausgeht, dass die meisten der nach Tausenden zählenden Flüchtlinge dauerhaft hier bleiben werden – und dafür spricht viel –, der braucht ein umfassendes Konzept zur Integration.

Rot-Grün hat zu Recht den Spracherwerb, also Deutschkurse, die schulische Bildung insgesamt und die Bereitstellung von genügend Wohnraum jenseits von Baumärkten, Containern und Zelten in den Mittelpunkt gerückt. Zu einer gelingenden Integration gehört aber auch, die Schattenseiten des Zusammenlebens nicht auszublenden. Wer in seiner direkten Nachbarschaft von einem auf den anderen Tag eine Flüchtlingsunterkunft entstehen sieht, hat viele Fragen und möglicherweise Ängste – und seien sie auch unberechtigt. Und umgekehrt: Die Flüchtlinge selbst leben auf engem Raum und häufig mit ihnen völlig Fremden zusammen. Es gibt Konflikte zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen, Religionen und Nationalitäten. Und allen gemeinsam ist, dass sie in einem ihnen unbekannten Umfeld leben.

Es ist richtig, wenn Innensenator Michael Neumann (SPD) in einem ersten Schritt 50 erfahrene bürgernahe Beamte zusätzlich in das Umfeld der großen Flüchtlingsunterkünfte schicken will. Gute Polizeiarbeit ist immer auch Sozialarbeit.

Die Beamten können durch einen Streifendienst mit Augenmaß und Pragmatismus dazu beitragen, dass mancher Konflikt im Keim erstickt wird und auf beiden Seiten Ängste abgebaut werden können. Hinzu kommt, dass viele Flüchtlinge Polizisten und ihr Vorgehen aus ihrem Heimatland in sehr schlechter Erinnerung haben. Es geht also auch darum, bei den Zuwanderern Vorurteile abzubauen und Vertrauen zu schaffen.

Nun sind 50 bürgernahe Beamte mehr bei einer Gesamtzahl von aktuell 8436 Polizeivollzugsbeamten ein eher kleiner Beitrag. Diese Einschätzung wird sich auch nicht grundsätzlich ändern, wenn, wie von Neumann angekündigt, die Ausbildungskapazität bis 2019 schrittweise von jährlich 325 auf 425 Polizeianwärter erhöht wird.

Und doch: Diese zusätzlichen 100 Beamten sind der erste echte strukturelle Aufwuchs bei der Polizei, seit die SPD 2011 die Macht im Rathaus zurückerobert hat. Mit knapp 200 Polizeibeamten hat Neumann seitdem zwar schon die Polizeipräsenz an den Kommissariaten verstärkt. Aber diese Beamten wurden aus den Stäben und der Verwaltung abgezogen.

Der Innensenator prescht mit seiner Ankündigung jetzt vor, denn die Haushaltsberatungen des Senats stehen erst im Frühjahr 2016 an. Aber Neumann hat sich selbstverständlich Rückendeckung bei Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) geholt, der selbst einmal Innensenator war, wenn auch nur für fünf Monate. Damals, 2001, verlor die SPD die Macht nach 44 Jahren vor allem deswegen, weil viele Wähler der Partei nicht mehr zutrauten, die innere Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten. Dies hat sich als Trauma bei den Sozialdemokraten eingebrannt. So gesehen, ist die Erhöhung der Ausbildungskapazitäten bei der Polizei auch vorweggenommener Wahlkampf.

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