Die Welt braucht den olympischen Traum der Völkerverständigung, gerade jetzt. Ein Kommentar von Abendblatt-Redakteur Peter Wenig.

Die Trauer ist nicht mehr in Worte zu fassen. Die Zahl der Opfer der schrecklichen Attentate in Paris erhöht sich immer weiter; die Bilder der Opfer, ihrer trauernden Freunde und Angehörigen machen uns sprachlos. Und dennoch sind die ersten Scharfmacher in den sozialen Netzwerken schon unterwegs. Sie instrumentalisieren das Drama von Paris, die Tat von wahnsinnigen Terroristen, gegen die Flüchtlinge, gegen die Menschen, die bei uns Schutz suchen. Und US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump hat ein paar Stunden nach den Explosionen nichts Besseres zu tun als zu twittern, es sei eben kein Zufall, dass die Terroristen in einer Stadt mit besonders scharfen Waffengesetzen zugeschlagen hätten. Mehr Waffen in die Hände von Zivilisten, um Terror zu verhindern? Man kann weiter nur hoffen, dass Trump niemals auch nur in die Nähe des Weißen Hauses kommt.

Die Diskussion um den Terror und seine Folgen wird auch das Thema Olympische Spiele erreichen. Dies gilt besonders für Frankreich, dem Gastgeber der EM 2016 und dem Kandidaten für die Olympischen Spiele 2024. Kann die Sicherheit von Großveranstaltungen überhaupt noch gewährleistet werden? Müssen die Gastgeber derart hochrüsten, dass jede Freude auf ein großes Sportfest im Keim erstickt wird? Auch in Hamburg sowie bei den weiteren Mitbewerbern Los Angeles, Budapest und Rom wird man darüber diskutieren, ob es nicht besser sei, das Thema Olympia sofort zu beenden.

Nicht vor dem Terror kapitulieren

Keine Frage, angesichts des Schreckens von Paris muss die Sicherheitsfrage mit noch größerer Bedeutung auf die Agenda. Nur: Sie darf nicht dazu führen, dass wir vor dem Terror kapitulieren. Genau dann hätten die Fanatiker ihr Ziel erreicht. Sie wollen, dass wir unsere Ideale aufgeben, sie wollen uns über ihren „Heiligen Krieg“ hineinbomben in ihren angeblichen „Gottesstaat“.

Die Olympische Idee steht dagegen wie keine andere. Als 1920 bei den Spielen in Antwerpen, nur zwei Jahre nach dem furchtbaren Ersten Weltkrieg, das erste Mal die Olympische Fahne gehisst wurde, war der damit verbundene Gedanke an Völkerverständigung nicht mehr als eine kühne Vision. Fünf ineinander verschlungen Ringe, die das Zusammenwachsen der Kontinente symbolisieren. Sechs Farben – inklusive der Hintergrundfarbe weiß -, von denen sich mindestens eine in jeder Landesflagge wiederfindet. Und der Traum von einem fairen Wettstreit der Jugend der Welt um den Sieg. Die miteinander ein friedliches Fest feiert statt aufeinander zu schießen. Ja, diese Idee ist oft missbraucht worden, allen voran von den Nazis 1936 in Berlin. Aber das spricht nicht gegen die Idee, im Gegenteil. Wir brauchen den olympischen Traum der Völkerverständigung, gerade jetzt. Aber zunächst gilt: Wir trauern. Wir sind Paris. Nous sommes Paris.