... und was sie auch selbst dagegen tun können

Hamburgs Justiz kommt einfach nicht zur Ruhe. Gerichte entlassen mutmaßliche Schwerverbrecher aus der Untersuchungshaft, weil sie den Prozess nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eröffnen können. Die Folge: Die Verdächtigen tauchen ab. Aus der Untersuchungshaft flieht ein Häftling. Staatsanwälte und Richter schreiben Brandbriefe, weisen auf unzumutbare Arbeitsbedingungen hin und sorgen dafür, dass die alarmierenden Schreiben öffentlich werden. Und der Senat gesteht nach einer aufwendigen Überprüfung des Apparats ein, dass die Strafverfolgungsbehörde nicht mehr in allen Bereichen in der Lage sei, „ihrer Aufgabe nachzukommen, eine effiziente und effektive Strafverfolgung sicherzustellen und dadurch die Gesellschaft vor Kriminalität zu schützen“. Passiert ist das alles in diesem und den vergangenen Jahren. Die Folgen: 23 neue Stellen für Juristen und Servicekräfte.

Warum der Senat dem Problem aber nicht noch energischer entgegentritt und versucht, es zu lösen, statt es – wie gehabt – bestenfalls zu lindern, ist schwer zu verstehen. Denn die Sorge, die Menschen befällt, wenn festgenommene Kriminelle aus Verfahrensgründen wieder laufen gelassen werden müssen, kann eine große politische Kraft entwickeln – wenn sich aus der Verunsicherung Angst entwickelt und sei diese rational noch so unbegründet.

Die Abstände zwischen den einzelnen Protestaktionen, Alarmbriefen und Haftentlassungen scheinen sich immer mehr zu verkürzen. Dafür zu sorgen, dass diese Kette endet, ist jetzt die Aufgabe von Senator Till Steffen. Er muss die Probleme lösen, bevor sie sich zu einer großen Debatte über die (Un-)Sicherheit in Hamburg ausweiten. Aber die Alarmbriefe-Schreiber aus der Hamburger Staatsanwaltschaft sollten sich auch in die Pflicht nehmen. Unter ihrem jetzt ausgeschiedenen Chef, Generalstaatsanwalt Lutz von Selle, erarbeitete sie sich den Ruf der Pedanterie. Auch wenig aussichtsreiche Fälle wurden systematisch verfolgt, vor Gericht gebracht, auch wenn es kaum eine Chance auf eine Verurteilung gab. Wer Alarmbriefe schreibt und zu Recht auf unhaltbare Zustände in der Justiz hinweist, sollte auch selbst für effektive und realistische Arbeitsabläufe sorgen.