Der DFB-Präsident sollte sein Amt ruhen lassen, bis der WM-Skandal aufgeklärt ist

Vor noch nicht einmal drei Wochen erschien ein „Zeit“-Interview mit Wolfgang Niersbach, in welchem er seinen Führungsanspruch bei der dringend erforderlichen Neuausrichtung der maroden und womöglich korrupten Fußballverbände bestätigte: „Ich will und werde mich nicht davor drücken, meinen Beitrag zu leisten.“ Der Chef über 6,9 Millionen Mitglieder beim DFB wäre ein natürlicher Kandidat gewesen, falls Michel Platini nicht mehr als Uefa-Präsident zu halten wäre. Sogar als Nachfolger des quasi entmachteten Fifa-Königs Joseph Blatter wurde der 64-Jährige schon gehandelt.

Niersbach, der Shootingstar in der Welt der Funktionäre! Nichts schien ihn stoppen zu können. Spätestens mit seiner öffentlich verbreiteten Reform-Agenda, wie der Sumpf Fifa trocken­gelegt werden könne, hatte er sich zum Chef-Aufklärer und Hoffnungsträger aufgeschwungen.

Und heute?

Rasanter kann ein Absturz nicht erfolgen. Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Millionenaffäre um das Sommermärchen 2006 am getrigen Dienstag mit der Razzia beim Deutschen Fußballbund und in den Privathäusern von Niersbach, seinem Vorgänger Theo Zwanziger und dem früheren Generalsekretär Horst R. Schmidt.

Dass die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung gegen frühere Mitglieder des WM-Organisationskomitees (OK) vorgeht, kommt allerdings nicht wirklich überraschend, schließlich ist der Geldtransfer in Höhe von 6,7 Millionen Euro vom OK an die Fifa noch immer nicht aufgeschlüsselt und die Frage der Behörden nach der Abzugsfähigkeit als Betriebsausgabe nur folgerichtig.

Was aber bedeutet dieser Paukenschlag für Niersbach? „Ich habe beim DFB selbst häufig Verträge verhandelt, in denen es um Millionensummen geht“, sagte er in besagtem Interview. „Beim Gedanken, dass Menschen bei einem solchen Vorgang Geld in die eigene Tasche abzweigen, wird mir übel.“ Worte, die angesichts der jüngsten Entwicklung katastrophal wirken, da immer noch der Vorwurf von Zwanziger im Raum steht, es habe vor der Vergabe für die WM 2006 sehr wohl eine schwarze Kasse gegeben.

Um im Bild zu bleiben: Der Gedanke, dass Niersbach in dieser Gemengelage weiter im Amt bleibt, führt zu zunehmendem Unwohlsein. Dem früheren OK-Vize ist es weder gelungen, zur Aufklärung entscheidend beizutragen noch ein stabiles Krisenmanagement auf die Beine zu stellen.

Der DFB selbst erklärte in einer Stellungnahme, nicht Beschuldigter des Verfahrens zu sein – was aber auch nicht wirklich etwas rettet. Bei Niersbach, Zwanziger, Schmidt und auch Franz Beckenbauer zieht sich die Schlinge unerbittlich zu.

Sicher, niemand sollte Niersbach & Co. vorverurteilen, bevor nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen. Klar ist aber auch, dass den Beteiligten im schlimmsten Fall sogar eine längere Haftstrafe droht. Spätestens jetzt sollte Niersbach die Notbremse ziehen und sein Amt ruhen lassen, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind. Ein Rückzug wäre kein Schuldeingeständnis, sondern würde es dem Verband ersparen, in einer Art Dauerkrise zu erstarren mit einem Chef an der Spitze, der derzeit ein akutes Glaubwürdigkeitsproblem hat.

Wie soll jemand wie Niersbach, der einen Rucksack voll ungelöster Probleme mit sich trägt, mithelfen können, die Fußballverbände neu aufzustellen und für Transparenz und neues Vertrauen in die verrotteten Apparate werben? Genau, kaum vorstellbar.

Ja, Niersbach darf sich nicht davor drücken, seinen Beitrag für den Fußball zu leisten. Aber auf eine andere Art, als er noch Mitte Oktober dachte.