Eine Theater-Zeitreise mit Joachim Mischke

Man muss das St. Pauli Theater nicht zweimal wöchentlich besuchen, obwohl das ginge, denn dort wird so ziemlich immer gespielt. Man muss noch nicht mal mögen, wie sympathisch rumpelig und gediegen dort mit der Kunst umgegangen wird, auf einer Bühne, deren Grundfläche mehrfach in die Elbvororte-Wohnzimmer mancher Premierenbesucher passt. Doch nicht nur Eigentum verpflichtet, es geht ja immerhin um das älteste deutsche Privattheater und nicht um eine ­x-beliebige Boulevardkomödien-Klitsche, auf der heruntergerockte TV-Mimen grobmotorisch herumalbern.

Es geht an dieser Kiez-Adresse – umzingelt von schlimmen Abfüllalkohol-Kiosken und schlimm neonpink verpackten Junggesellinnenrudeln – um eine große, wichtige Tradition. Um handgemachtes Theater ohne die sprichwörtliche Schwellenangst, bei dem man Angstschweiß riechen und Freudentränen auf der Bühne erkennen kann, weil hier alles ganz unmittelbar passiert. Hier kann man süchtig werden, auch wenn es den noch besseren Stoff in dieser Theaterstadt womöglich an anderen Adressen gibt.

Angst und bange kann einem allerdings werden, wenn man die Bühnentechnik-Antiquitäten sieht, die dort seit viel zu vielen Jahren in Betrieb sind. Die Grundsanierung war überfällig, dass Besitzer, Stadt und Bund nun gemeinsame Sache machen, macht das Ganze noch sinnvoller. Denn auch das, um grundsätzlich und nur ganz leicht pathetisch zu werden, ist Kulturnation.