In der Flüchtlingspolitik dominieren derzeit Emotionen die Gesetze.

Schon ab diesem Wochenende soll ein geändertes, ein schärferes Asylrecht gelten, heißt es. Tatsächlich handelt es sich allenfalls um ein paar geänderte Durchführungsbestimmungen wie etwa die schnellere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Das Asylrecht selbst gilt unverändert. Es genießt in Deutschland Verfassungsrang und ist in Gestalt der Genfer Flüchtlingskonvention völkerrechtlich verbindlich. Und es kennt keine Obergrenzen, wie die Kanzlerin richtig sagte.

Allerdings findet es in Deutschland – wie andere rechtliche Bestimmungen derzeit auch – eine merkwürdige Anwendung. „Allgemeine Notsituationen wie Armut, Bürgerkriege, Naturkatas­trophen oder Perspektivlosigkeit sind als Gründe für eine Asylgewährung grundsätzlich ausgeschlossen“ heißt es nicht etwa in einem Pegida-Pamphlet, sondern in den Erläuterungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zum Grundgesetzartikel 16 a: „Politisch Verfolgte genießen Asyl“.

Zusätzlich gibt es den Flüchtlingsschutz beziehungsweise den so genanten subsidiären Schutz. Er soll Menschen helfen, die nicht wegen ihrer politischen Überzeugung, Rasse, Religion des Geschlechts oder anderer Gründe staatlichen Repressionen unterliegen, aber etwa willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt sind. Das trifft zweifellos für Flüchtlinge aus Syrien zu, deren Heimatland in einem heillosen Bürgerkrieg versunken ist und in dem niemand garantieren kann, dass die letzten halbwegs sicheren Landstriche das auch bleiben werden.

Nach bisher geltendem Recht hat aber auch kein Syrer Asylrecht in Deutschland, wenn er über sichere Drittstaaten – was die Balkanländer sind – eingereist ist. Das kann mit guten Gründen als nicht praktikabel betrachtet werden. So wie unser ganzes Asylrecht aus einer anderen Zeit stammt, in der vermutlich niemand die heutige Situation hat erahnen können.

Kanzlerin Merkel hat die Koordinaten geändert, allerdings nicht auf dem demokratischen Rechtsweg, sondern in einem Handstreich zu Lasten Dritter. Mit der Öffnung der Grenzen und der Erklärung, sie seien ohnehin nicht zu kontrollieren, hat sie den Strom der Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben Richtung Mitteleuropa ziehen, enorm anschwellen lassen und damit die Länder im Südosten des Kontinents vor nahezu unlösbare Probleme gestellt. Ebenso wie die deutschen Bundesländer, die zusammen mit den Kommunen für Unterbringung, Versorgung und Inte­gration der Menschen verantwortlich sind. Laut Grundgesetz steht den Ländern Mitspracherecht zu, wenn sie von Handlungen des Bundes betroffen sind. Wann wurden sie gehört?

Und schließlich ist der mittlerweile berühmt-berüchtigte Satz „Wir schaffen das“ so allgemein, dass er bei vielen Menschen mehr Unbehagen als Ermutigung auslöst. Was, bitte, soll denn eigentlich geschafft werden? Welches politische Konzept soll umgesetzt werden? Wer das den Bürgern nicht erklären kann, verstärkt Befürchtungen und Ängste. Und wer diese nicht ernst nimmt, treibt sie in die Arme zwielichtiger Akteure.

Menschen in der Not zu helfen entspricht nicht nur europäischer Tradition und christlicher Überzeugung. Dafür gibt es in unserer Gesellschaft gesetzliche Grundlagen – mit genau festgelegten Rechten und Pflichten für Helfer – und auch die Hilfesuchenden. Nur wenn das Recht wieder Oberhand über Emotionen gewinnt, werden wir etwas schaffen. Und wer das derzeitige Recht als ungenügend empfindet – aus welchen Erwägungen heraus auch immer – soll es ändern. Auf legalem Weg.

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