Senat unter Druck: Die verspätete Ankündigung in der Flüchtlingspolitik wirkt verstolpert

Nun also doch: Hamburg will keine Flüchtlinge mehr in unbefestigten Zelten ohne Heizungen und Böden unterbringen; stattdessen werden Holzhäuser aufgestellt, in denen bevorzugt Familien und Kranke schlafen sollen. Das ist eine klare Ansage.

Man ist – gelinde gesagt – verwundert, solche deutlichen Worte nicht aus dem Mund von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gehört zu haben. Der hatte schließlich erst am Mittwochnachmittag eine mit Spannung erwartete Regierungserklärung zum Thema in der Bürgerschaft abgegeben. Dort bot er stattdessen in einer wenig emotionalen Rede überwiegend vage Formeln („Wir stehen in der humanitären Pflicht, diesen Menschen Schutz und Perspektive zu geben“) und Durchhalteparolen („Wir haben viel zu tun, aber wir sind in der Lage, das auch zu leisten, wenn alle die Nerven behalten“). Was aber hätte in einer Regierungserklärung überzeugender und vertrauensstiftender wirken können als die Ankündigung ganz konkreter Maßnahmen, mit deren Hilfe der Senat den drängendsten Missständen in vielen Erstunterkünften entgegentreten will?

Diese Ankündigung reichte nun SPD-Fraktionschef Andreas Dressel am Donnerstagvormittag – keine 24 Stunden nach der Regierungserklärung – nach. Seltsam, wie verstolpert das wirkt. Es mag eine Petitesse sein, verstärkt aber den Eindruck, dass der Senat – bei allem Engagement – in der Flüchtlingsfrage in die Defensive gerät.

Die Opposition hatte Bürgermeister Scholz am Mittwoch in teils schrillen Tönen für das aus ihrer Sicht stümperhafte Krisenmanagement angegriffen. Nun wird jeder – in Maßen – Verständnis dafür haben, dass die Hamburger Behörden von der schieren Zahl der Flüchtlinge in den vergangenen Wochen mitunter überfordert waren und sind. Das ist auch in anderen Städten und Bundesländern so, und auch die Bundesregierung steht wegen ihrer Koordination in der Kritik. Insofern ist manche Kritik der Opposition, gerade der CDU, wohlfeil. Dennoch wird der Vorwurf, ein schlechter Krisenmanager zu sein, Olaf Scholz getroffen haben – denn der berührt seine Kernkompetenz. Der Senatschef sieht sich als Macher, der die Probleme durchsetzungsstark anpackt, auf eine solide Grundlage stellt und löst – und er handelt oft genug auch entsprechend, Beispiel Elbphilharmonie.

Jetzt dagegen erscheinen er und sein Senat in Teilen als Getriebene – von den sich überstürzenden Ereignissen ebenso wie von der Opposition. Die hatte seit Längerem einen Flüchtlingskoordinator gefordert und eine Regierungserklärung zum Thema – und nun beides bekommen. Gut möglich, dass entsprechende Pläne im Senat längst bestanden. Doch der Eindruck bleibt, besonders angesichts der immer chaotischer werdenden Zustände in der Schnackenburgallee. In der Bürgerschaft hat Scholz die Chance verpasst, die Initiative zurückzugewinnen.

Es sind keine einfachen Zeiten für den SPD-Landeschef, der gleich vor mehreren Herausforderungen steht: So muss eine Lösung für die HSH Nordbank her, die Hamburg Milliarden kosten könnte. Im Ringen um die Olympia-Finanzierung steht Streit mit dem Bund ins Haus, der das Referendum Ende November belasten könnte. Und eben die Flüchtlinge.

In seiner Regierungserklärung hatte Scholz davor gewarnt, „in den Gestus des Notstands“ zu verfallen. Wenn aber kranke Kinder bei einstelligen Temperaturen in nicht geheizten Zelten schlafen müssen und Flüchtlinge angesichts ihrer Lage den Aufstand proben, was ist das sonst – wenn nicht eine Krise? Diese Situation geht vielen Hamburgern nahe. Olaf Scholz vermutlich auch. Das hätte er ruhig zeigen dürfen.