Konkrete finanzielle Zusagen aus Berlin würden Hamburg beim Olympiareferendum helfen
„Die Kostenberechnung ist etwas ehrlicher ausgefallen, als ich es erwartet habe.“ Mehr Lob geht eigentlich nicht, weiß man doch bei diesem Thema um die skeptische Grundhaltung des Absenders. Der Wilhelmsburger Sozialwissenschaftler Prof. Michael Rothschuh ist bei NOlympia aktiv, und dennoch konnte er dem Finanzreport des Senats zur Austragung Olympischer und Paralympischer Spiele 2024 in Hamburg positive Aspekte abgewinnen – neben seiner bestehenden Kritik an dem gigantischen Gesamtprojekt und Zweifeln an der zeitlichen Machbarkeit. Das könnte für die Seriosität des vorgelegten Zahlwerks sprechen.
Neun Jahre vor einer möglichen Ausrichtung Olympischer Spiele hat bislang keine Kandidatenstadt Ausgaben und Einnahmen derart solide, präzise und umfassend berechnen lassen und in ihre Kalkulation auch denkbare Inflations- und Risikozuschläge einbezogen wie jetzt Hamburg. Wenn Bürgermeister Olaf Scholz dem eigenen Finanzplan das Prädikat „beste Olympia-Berechnung aller Zeiten“ verleiht, übertreibt er nicht. Olympische Spiele sind in der Vergangenheit gerade deshalb oft mehr als doppelt so teuer geworden als anfangs annonciert, weil sich keine Stadt in der Frühphase ihrer Bewerbung die Mühe machte, die finanziellen Anforderungen an das Gemeinwesen detailliert aufzuschlüsseln.
Hamburg hat genau das getan – auch weil es angesichts der Volksabstimmung am 29. November und den traumatischen Erinnerungen an die schleppende Errichtung der Elbphilharmonie dazu keine Alternative gab.
Das ändert nichts daran, dass die aufgerufene Summe astronomisch erscheint. Rechnet man die einkalkulierten privaten Investitionen von 3,636 Milliarden Euro für den Bau des Medien- und des olympischen Dorfes ein, belaufen sich die Gesamtkosten in Preisen von 2024 auf 15 Milliarden Euro, verteilt auf sechs Jahre. Die Hälfte davon, rund 7,4 Milliarden Euro, wird der Steuerzahler tragen müssen. Im Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands, einem aktuellen Bruttoinlandsprodukt von fast drei Billionen Euro und einem für 2030 prognostizierten von vier Billionen, sollten diese Beträge ihre Schrecken verlieren. Deutschland kann Olympia.
Die Schwäche der momentanen Planungen aber ist: dass der Bund seinen finanziellen Anteil bisher nicht beziffert hat. Sollte die Regierung nicht in den nächsten Wochen konkrete Zusagen liefern, würde das mit Blick auf das Referendum die Argumente der Olympiagegner befeuern. Und diese hätten recht: Niemand kann von den Hamburgern verlangen, dass sie für die Spiele der Stadt einen Blankoscheck ausstellen. Dafür sind die Risiken einfach zu hoch. Hamburg dagegen hat sich seit gestern festgelegt: Weit mehr als 1,2 Milliarden Euro, je 200 Millionen in den Jahren 2018 bis 2023, sind für die Stadt nicht leistbar. Bliebe es dabei, hätte Hamburg ein hervorragendes Geschäft gemacht. Die eingesetzten Mittel würden sich um den Faktor 12,5 amortisieren. Viel mehr geht nicht.
Sorgen um eine angemessene Beteiligung des Bundes wären im Augenblick trotzdem unangebracht. Wiederholt haben Regierungsmitglieder Olympische und Paralympische Spiele in Hamburg zur nationalen Aufgabe erklärt, erstmals seit München 1972 beteiligt sich der Bund wieder an einer Bewerbungsgesellschaft. Und zuletzt hat der für Sport zuständige Innenminister Thomas de Maizière Olympia sogar als wichtiger für Deutschland bezeichnet als die Fußball-Europameisterschaft 2024, für die sich der Deutsche Fußball-Bund aussichtsreich bewirbt. Dass der Bund die Hamburger Zahlen noch mal in Ruhe nachrechnen will, sei ihm gestattet. Er sollte sich dafür aber nicht allzu viel Zeit lassen.