EuGH-Urteil zu Facebook offenbart die Trägheit europäischer Regierungen

Erinnert sich eigentlich noch jemand an diesen schmächtigen, jungen Mann mit Brille, der von massenhaftem Missbrauch auch europäischer Daten durch Geheimdienste in den USA sprach? Angeblich war es unmöglich, Edward Snowden in Deutschland offiziell anzuhören, um diese Vorwürfe genauer zu untersuchen. Die Bundesregierung verunmöglichte seine Einreise. Er wurde der Geltungssucht, der Agententätigkeit und anderer Defizite verdächtigt.

Doch jetzt wirbeln Snowdens Enthüllungen die europäisch-amerikanischen Datenschutzbeziehungen auf dem höchsten Rechtsweg der EU durcheinander. Das EuGH-Urteil ist ein Paukenschlag und eine riesige Chance für den europäischen Datenschutz. Lange wurde den europäischen Bürgern weisgemacht, ihre personenbezogenen Daten seien auf den Servern von US-Firmen in Amerika so sicher wie in einem Hafen. Eine millionenfache Lüge, wie heute jeder weiß.

Denn in Wahrheit wurden in den USA die Daten von Europäern massenhaft, anlasslos und unbegrenzt ausgewertet – und auch an andere Dienste weitergereicht. Nicht nur zur Gefahrenabwehr, sondern vielmehr auch zur allgemeinen Spionage in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft anderer Länder. Warum sonst interessierte sich die NSA sonst so sehr für den europäischen Flugzeugbauer Airbus? Oder die EU-Einrichtungen in Brüssel? Und Merkels Handy? Um Terrorismusabwehr wird es in all diesen Beispielen kaum gegangen sein. Stattdessen wurde das technisch Mögliche ins Extrem getrieben: Alle Daten von allen zu jeder Zeit. Die Schleppnetzmethode. Und die europäischen Bürger als zappelnder Beifang millionenfach mittendrin.

Das Facebook-Urteil ist nun die erste höchstrichterliche Anerkennung dieser von Whistleblowern bekannt gemachten Tatsachen. Das Urteil ist damit auch eine Ohrfeige für die Bundesregierung, die diese durch Whistleblowing ins Allgemeinwissen der Weltöffentlichkeit vorgedrungenen Tatsachen bis heute lieber ignorieren und in Zweifel ziehen will. Die Pirouetten der Regierungsvertreter im NSA-Untersuchungsausschuss liefern beinahe wöchentlich peinliches Anschauungsmaterial zu dieser fahrlässigen Haltung, die letztlich den Verrat an den Rechten der eigenen Bevölkerung mit einkalkuliert hatte.

So weit ist es mit der Fürsorgepflicht europäischer Staaten, auch der Bundesrepublik gekommen: Es bedurfte der Privatinitiative und des jahrelangen Prozesses eines österreichischen Jurastudenten, um die Unrechtmäßigkeit des Datenabkommens mit den USA zu erkennen. Während der Privatmann Max Schrems die Datenschutzanliegen der europäischen Bürger zu seiner Sache machte, träumte man in den Justizministerien der EU weiter von „Safe Harbor“ und ließ die Bürger im Stich. Indem Schrems sich juristisch durchkämpfte, brachte er ganz privat eine allgemein wichtige, demokratische Frage zur höchstrichterlichen Klärung, die eigentlich von den zuständigen Regierungen hätte geklärt werden müssen.

Das jetzt ergangene Urteil ist eine große Chance, den europäischen Datenschutz wieder so zu organisieren, dass er seinem Zweck gerecht wird: die Bürger vor Ausspähung und vor dem Kontrollverlust über ihre Daten zu schützten. Vielleicht eine der wichtigsten Aufgaben in einer Welt, in der Geschäftsprozesse, Meinungsbildung, Kontakte und Privates in allumfassender Weise digitalisiert werden.

Mehr als 5000 internationale Firmen haben den EU-Bürgern mit dem Abkommen suggeriert, sie gäben ihre Daten in den USA in einen „sicheren Hafen“. In Wahrheit war es ein gefährlicher Hafen, voller Gauner, Hehler und Diebe. Voller Dienste, mit Absauglizenz. Dem hemmungslosen Auswerten ist von Europa jetzt vorerst die rechtliche Grundlage entzogen worden. Eine Leistung von Whistleblowern und Aktivisten. Auf die eigene Regierung sollten sich europäische Bürger in solchen Fragen nicht zu stark verlassen.