Der Abgasskandal bei Volkswagen bringt Ruf der Exportnation Deutschland in Gefahr

Nach dem VW-Abgasskandal befragt, reagieren Konzernlenker und Verbände in diesen Tagen sehr schmallippig. Oft heißt es nur „kein Kommentar“. Die Wirtschaftschefs in Deutschland befinden sich in einer Art Schockstarre. Denn allen scheint klar: Bei den Betrügereien des Volkswagen-Konzerns geht es nicht mehr nur um hausinterne Probleme des größten europä­ischen Autobauers, sondern längst um etwas viel Größeres: Der Ruf der Exportnation Deutschland ist in Gefahr. Und damit auch das Wohl und Wehe Zigtausender Mittelständler, Zulieferer und Unternehmer. Aber es geht natürlich auch um Millionen Arbeitsplätze, die an diesen Industrien hängen. Das Siegel „Made in Germany“, aufgebaut in Jahrzehnten, hat in nur wenigen Tagen tiefe Risse bekommen. Und keiner weiß heute, ob der Schaden wiedergutzumachen ist. Denn nichts ist schwieriger aufzubauen als zerstörtes Vertrauen. Vertrauen, das von dem einstigen Vorzeigekonzern leichtfertig aufs Spiel gesetzt wurde.

Der Rücktritt des Vorstandschefs Martin Winterkorn ist deshalb nur konsequent und richtig. Auch wenn der Manager in seiner Abschiedserklärung schreibt, dass er sich „keines Fehlverhaltens bewusst“ sei und nur im Interesse des Unternehmens dem Konzern den Rücken zuwende, so kann dies nur die halbe Wahrheit sein. Vielleicht hat der VW-Lenker nicht die Manipulationen persönlich in Auftrag gegeben. Doch selbst wenn der Vorstandschef tatsächlich nichts von den Machenschaften in den Entwicklungslabors seines Konzerns gewusst haben sollte, so ist dies ein deutliches Indiz dafür, dass er seinen Laden nicht mehr im Griff hatte.

Ein gut geführtes Unternehmen beschäftigt nicht Mitarbeiter, die in krimineller Weise den Geschäftserfolg auf Betrug bauen, um Kosten zu sparen, Umsatzzahlen zu steigern oder eigene Bonizahlungen zu sichern. Hier muss dann offenbar im Konzern eine Atmosphäre des Duldens solcher Praktiken geherrscht haben, die solche Auswüchse nicht grundsätzlich ablehnt und ahndet. Bei VW ist deshalb ein Neuanfang unter neuer Führung dringend geboten – und die einzige Chance, den Konzern wieder aus dem Sumpf zu ziehen. Am besten sollte der Nachfolger in diesem Fall kein „VW-Gewächs“ sein, sondern möglichst ein international erfahrener, integrer Manager, der die Glaubwürdigkeit des Konzerns weltweit wiederherstellt. Konsequent und förderlich ist die resolute Haltung des Aufsichtsrats, der die Vorgänge bei VW mit aller Entschlossenheit aufklären möchte. Das Präsidium will Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Braunschweig erstatten, die allerdings schon vor diesem Schritt tätig wurde. Entsprechend ist mit weiteren personellen Abgängen zu rechnen. Aber auch das Aufsichtsgremium und nicht zuletzt auch Porsche-Enkel Ferdinand Piëch müssen sich die kritische Frage gefallen lassen, warum sie nicht früher von diesen Machenschaften erfahren haben, um einzuschreiten. Sollten die Betroffenen auch finanziell zur Kasse gebeten werden, dürfte die Fallhöhe erheblich sein.

Unumstritten ist: Die Vorgehensweise von VW ist skandalös. Der Konzern hat in seine Dieselmotoren vorsätzlich eine Software eingebaut, um die Stickoxidwerte für Abgastestverfahren zu frisieren und schönzurechnen. Hier wurde Vertrauen vorsätzlich missbraucht. VW hat mit seinem Vorgehen nicht nur Verbraucherrechte mit Füßen getreten, sondern setzt auch die Gesundheit der Bevölkerung durch die Belastung mit mehr Schadstoffen aufs Spiel.

Aufklärung, Transparenz und Offenheit sind nun die Gebote der Stunde. Die Schuldigen des Desasters müssen gefunden werden.