Politik kann der Hilfe für Flüchtlinge nur einen Rahmen geben. Die Bürger müssen ihn füllen
Enden wird dieser Text im sächsischen Heidenau, wo Rechtsextreme geflohene Menschen und Polizisten angreifen. Das ist eine Schande für Deutschland. Das ist aber vor allem eine Gefahr für die Asylbewerber. Gewalt gegen Flüchtlinge ist mittlerweile Alltag in dieser Republik. Und in der Debatte um sogenannte sichere Herkunftsstaaten auf dem Balkan müssen wir uns fragen, wie sicher dieses Land noch ist für Menschen aus Syrien, Irak, Albanien oder Afrika.
Beginnen wir diesen Text aber in Niendorf. Eine Frau will helfen. Sie hat ein Talent für Organisation. Wenn Flüchtlinge einen Kinderwagen benötigen, dann holt sie ihn ran, egal wie, fragt Nachbarn, trommelt bei Freunden und ruft die Kirchengemeinde an. Wird ein Bett gebraucht oder eine Winterjacke, greift sie wieder zum Hörer. Kriegen wir hin, sagt sie. Und dann steht die Frau mit dem Kinderwagen vor der Flüchtlingsunterkunft in ihrer Straße – und wird abgewiesen.
So ist es passiert, einmal, vielleicht passiert es häufiger in Hamburg, in Deutschland. Das ist nicht gerecht, aber es ist Realität. Denn die hauptamtlichen Helfer in den Asylbewerberheimen haben genug zu tun mit dem Aufbau von Unterkünften, mit der Versorgung der Menschen, die aus Krieg und Elend geflohen sind. Sie können oftmals nicht noch die freiwilligen Helfer koordinieren. Sie leisten Hilfe am Limit, das sind auch unsere Eindrücke, wenn wir über die Arbeit der sozialen Träger, der Behörden und Bezirkspolitiker recherchieren.
Und das macht deutlich: Wer jetzt laut auf die Politiker schimpft, dass die Situation für Flüchtlinge in einigen Unterkünften der Republik chaotisch ist, der verkennt die eigene Verantwortung. Denn auch auf das Ehrenamt, auf jeden Einzelnen, wird es ankommen, wenn wir uns menschenwürdig um die Geflohenen aus Krieg und Elend kümmern wollen. Politiker können keine Kleiderspenden sammeln, sie können nur den Rahmen setzen für die Hilfe. Sie können Signale setzen, die Menschen animieren, sich in der eigenen Nachbarschaft einzusetzen. Das ist die Aufgabe der Politik.
Der Hamburger CDU-Politiker Marcus Weinberg will nun den Bundesfreiwilligendienst um mindestens 2000 Stellen aufstocken; derzeit sind es 35.000 Menschen in allen Altersklassen, die freiwillig für wenig Geld helfen. Die neuen Kräfte sollen ausschließlich für die Betreuung von Flüchtlingen eingesetzt werden. Ein wichtiges politisches Zeichen, das mehr ist als Statements vor Kameras.
Deutschlands Hilfe für Flüchtlinge kostet viel Geld und Kraft. Gelingt das Projekt, kann das Land von den Menschen aus Nahost und Afrika auch profitieren. Schon jetzt hat die Debatte über Asylpolitik der Republik etwas Gutes gebracht: Wir streiten wieder darüber, wie wir leben wollen in diesem Land. Und wie offen Deutschland sein soll für das Neue, das Fremde.
Und die Menschen in Städten und Kommunen setzen sich wieder ein für ihr Deutschland. Sie wollen gestalten. Viele helfen freiwillig in Flüchtlingsheimen. Wir brauchen sie aber auch wieder mehr in Sportvereinen und der Freiwilligen Feuerwehr. Mit der Flüchtlingsdebatte kehrte das Politische zurück in die Wohnzimmer. Und mit dem Ehrenamt hat der Bürger ein bewährtes Instrument, seine eigene politische Agenda durchzusetzen – und sei es nur in der Nachbarschaft.
Die Gesten von Merkel und Co. werden nach der rassistischen Gewalt in Heidenau nicht reichen. Die Bürger müssen selbst aufschreien. Sie werden auf die Straße gehen müssen gegen den Hass. Und am Ende werden sie reden müssen. Auch mit den rechten Krawallmachern und den applaudierenden Passanten. In Sachsen und anderswo.