Wer über Managergehälter streitet, sollte auch Leistung und Verantwortung beachten.
Sind 475.000 Euro zu viel oder angemessen? Diese Frage beschäftigt seit Donnerstag nicht wenige Menschen in Hamburg. Der Präses der Handelskammer, Fritz Horst Melsheimer, veröffentlichte an diesem Tag die Einkünfte seines Hauptgeschäftsführers Hans-Jörg Schmidt-Trenz. 370.000 Euro verdient der Manager demnach im Jahr. Bis zu 105.000 Euro können als Tantiemen hinzukommen.
Nun ist die Debatte darüber, was ein anderer verdient, stets eine heikle Angelegenheit. Die seit einigen Jahren laufende Diskussion über die Höhe und die mögliche Begrenzung von Managergehältern zeigt einerseits die gewachsene Sensibilität für das Verhältnis zwischen Leistung und Einkommen. Andererseits hat sie deutlich gemacht, dass die Grenze zur Missgunst fließend ist.
Es überrascht nicht, dass einer der einflussreichsten Interessenvertreter der Hamburgischen Wirtschaft ein so hohes Einkommen erhält. Schließlich ist die Handelskammer ein wichtiger und notwendiger Faktor bei der politischen Willensbildung in Hamburg. Zudem arbeitet die Kammer unabhängig und ist damit natürlich frei, über die Bezahlung ihrer leitenden Angestellten zu entscheiden.
Der Hinweis, Unternehmen könnten sich einer Mitgliedschaft nicht entziehen, vermengt Äpfel mit Birnen. Selbst wenn die Kammermitgliedschaft freiwillig wäre: Einer Antwort auf die Frage, ob Schmidt-Trenz ein angemessenes Gehalt bezieht, wäre man kein Stück näher. Interessanter ist der Vergleich mit den Einkommen von Chefs öffentlicher Unternehmen. Da aber befindet sich Schmidt-Trenz in guter Gesellschaft, wenn man an den Verdienst des scheidenden Hochbahnchefs Günter Elste oder des Flughafenchefs Michael Eggenschwiler denkt.
Zu Recht spielt in der öffentlichen Diskussion die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Managereinkommen eine wichtige Rolle. Führungskräfte, das ergaben Untersuchungen, sind sehr von dem Gedanken des Leistungsprinzips durchdrungen. Sie rechtfertigen ihr Einkommen unter anderem damit, dass sie überdurchschnittlich viel Verantwortung für andere Menschen tragen. Das hohe Einkommen empfinden sie daher als Belohnung für ihre besondere Rolle und ihre Tätigkeit.
Unabhängig davon, wie man im Einzelfall die Leistungen des Hauptgeschäftsführers der Handelskammer bewerten mag: Wer darüber diskutiert, der sollte das Leistungsprinzip im Hinterkopf behalten. Denn dieses Prinzip ist für eine demokratische Gesellschaft unverzichtbar. In letzter Instanz bedeutet dieses Prinzip das Versprechen, dass Anstrengung sich lohnt und belohnt wird.
Kritiker bezeichnen zu hohe Gehälter als unethisch. US-Forscher haben herausgefunden, dass viele Menschen es als ideal empfänden, wenn der Unternehmenschef im Vergleich zu einem ungelernten Arbeitnehmer maximal das Siebenfache verdiente. Als jedoch die Schweizer 2013 über eine Begrenzung von Managergehältern auf das Zwölffache eines einfachen Arbeiterlohns entscheiden sollten, lehnten sie ab. Es gibt also keine einfache Antwort darauf, was angemessen ist.
Die Entscheidung der Kammer, das Gehalt ihres Geschäftsführers offenzulegen, war richtig. Es wäre schade, wenn diese der Auftakt zu einer Neiddebatte wäre.
Ich halte es mit Bundespräsident Joachim Gauck, der unlängst sagte: „Ja, es gibt unangemessene Gehälter. Aber wenn wir uns allein daran festbeißen, vergeuden wir viel Energie, die anderswo sinnvoller eingesetzt werden könnte – zum Beispiel bei der Diskussion darüber, wie man auch hierzulande gerechtere Bildungs- und damit mehr Aufstiegschancen schafft.“