Das Gastschulabkommen wirkt auf das Umland wie eine Mauer.
Hamburg hat eine Mauer gebaut – eine Mauer aus Vertragsartikeln. Sie durchschneidet die Metropolregion Hamburg, auf deren Zusammenhalt, Dynamik und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit die Hansestadt stolz ist. Ungezählt sind die Sonntagsreden, die dieser Metropole und ihren Nachbarn eine glänzende Zukunft prophezeien. Über die unsichtbare Mauer des Gastschulabkommens, das die schleswig-holsteinischen Teile der Region von Hamburg abschneidet, wird weit weniger häufig gesprochen.
Dabei zwingt dieses Abkommen Eltern, zum Mittel der Lüge zu greifen. Es zwingt sie, Hamburg mit einer fingierten Meldeadresse zu betrügen. Sie tun das nicht, um sich einen finanziellen Vorteil zu schaffen. Sie wollen einfach nur ihr Kind auf die Schule schicken, die am besten geeignet ist, weil sie vielleicht ein besonderes Mathematikangebot hat oder ein musisches Profil. Die am besten erreichbar ist, weil es eine gute Busverbindung gibt. Wer am Rand von Hamburg, aber eben außerhalb der Stadt wohnt, für den wird diese Schule in vielen Fällen in der Hansestadt liegen. Die aber reagiert auf diese Eltern mit einem „Gastschulverhinderungsabkommen“, garniert mit einer Dienstanweisung an alle Schulleiter. In der wird das Einschalten der Rechtsabteilung zur Pflicht gemacht, wenn es Zweifel „an der Richtigkeit oder Echtheit einer Meldebestätigung“ gibt. Fürsorgender Staat? Nein. Das ist ein Staat, der seinen Bürgern mit Misstrauen begegnet.
Das sollte man ändern. „Menschen kaufen in Hamburg und Schleswig-Holstein ein, sie gehen ins Kino in beiden Bundesländern, sie gehen einfach über die Grenze und haben auf Dauer kein Verständnis dafür, dass wir ausgerechnet bei der Schule von Gastschulabkommen und ähnlichen Dingen sprechen, als würden wir einen USA-Austausch von Schülerinnen und Schülern organisieren.“ Ties Rabe hat diese Sätze gesagt, 2010, in der Bürgerschaft. Damals war seine Partei, die SPD, in der Opposition. Seit 2011 ist Rabe Schulsenator. Geändert hat sich nichts. Das Gastschulabkommen besteht immer noch. Die Eltern sind immer noch da. Und sie haben immer noch kein Verständnis dafür, dass sie vom Staat sozusagen gezwungen werden, zur Lüge zu greifen.