Ohne einen Flüchtlingskommissar wird Hamburg die Herausforderungen nicht bewältigen.
Nicht kleckern, sondern klotzen. Diesen Eindruck kann gewinnen, wer die Flüchtlingspolitik des rot-grünen Senats in den letzten Tagen betrachtet. Da werden in einer Messehalle 1200 Betten aufgestellt, um Flüchtlingen wenigstens ein Dach über dem Kopf zu bieten. In den Einrichtungen zur Erstaufnahme in der Dratelnstraße und der Schnackenburgallee wiederum werden Ambulanzen geschaffen, damit die Bewohner sich auch ohne die ihnen zustehende Gesundheitskarte an einen Arzt wenden können.
Das klingt auf den ersten Blick umtriebig und soll der Öffentlichkeit vermitteln: Wir tun etwas! Wir kümmern uns! Wir haben die Lage im Griff! Daran, dass man die Lage im Griff hat, dürfen, betrachtet man den täglichen Kampf angesichts des unablässigen Flüchtlingsstroms, Zweifel geäußert werden. So begründete der Sprecher der Innenbehörde, Frank Reschreiter, die Entscheidung vom Dienstag, 176 Flüchtlinge in einer Halle der Feuerwehr-Akademie unterzubringen, mit dem Satz: „Wir brauchen einen Puffer.“
Dieser Satz offenbart sowohl die Dramatik der aktuellen Situation, als auch die Versäumnisse der Stadt. Mehr als 5700 Flüchtlinge musste Hamburg in den ersten sechs Monaten dieses Jahres unterbringen. 2014 waren es im gesamten Jahr etwas mehr als 6600. Wenn in den kommenden Tagen die aktualisierten Flüchtlingszahlen veröffentlicht werden, dürfte diese Marke übertroffen worden sein.
Eine Frage, die sich stellt: Hätten die politisch Handelnden die Dramatik der Lage früher erkennen können? Ja, sie hätten es müssen. Vielleicht war nicht alles bis ins letzte Detail vorhersehbar. Aber dass die vielen Konflikte den Flüchtlingsstrom eher anschwellen als abebben lassen würden, das war bereits vor Monaten klar. Insofern überrascht es, dass die Not der Behörden innerhalb weniger Wochen so groß wurde, dass sie auf „Puffer“ zurückgreifen müssen und es offenbar schwerer als erwartet fällt, Flächen für größere Flüchtlingsunterkünfte zu finden.
Eine andere Frage lautet: Ist die Stadt richtig aufgestellt, das Flüchtlingsproblem in den Griff zu bekommen. Es hat sich, das bestätigen alle Beteiligten, bewährt, dass für die Betreuung der Flüchtlinge in den Unterkünften mit dem städtischen Dienstleister „Fördern & Wohnen“ ein einziges Unternehmen betraut wurde. Hier sind inzwischen so viel Wissen und Erfahrungen versammelt, dass die Stadt sich glücklich schätzen kann. Es spricht also vieles für die These, dass ohne dieses Angebot „aus einer Hand“ die Lage weitaus schwieriger wäre.
Der Erfolg von „Fördern & Wohnen“ wirft nun die Frage auf, warum auf staatlicher Seite sich zwei Behörden um die Flüchtlinge kümmern? Was spricht eigentlich dafür, die Flüchtlinge in der Erstaufnahme durch die Innenbehörde betreuen zu lassen, in der Folgeunterbringung von der Sozialbehörde? Offiziell heißt es, dass die Zusammenarbeit ohne Probleme funktioniere. Hinter vorgehaltener Hand fällt allerdings das Wort von den Reibungsverlusten.
Die Situation der Flüchtlinge – viele von ihnen erhalten das ihnen per Gesetz zustehende Geld erst nach Wochen – ist zu ernst, um zurückzublicken. Allerdings ist jetzt die Zeit für die „große Lösung“ gekommen. Mit „Puffern“ wird man sich nicht länger behelfen können. Ein erster Schritt sollte sein, beim Bürgermeister die Stelle eines Flüchtlingskommissars zu schaffen. Dieser muss ausreichend Befugnisse erhalten, um auch unpopuläre Entscheidungen treffen zu können.
Auf eines können sich die politisch Handelnden verlassen: auf die Solidarität der Hamburger. Aber diese allein wird in den kommenden Wochen nicht mehr reichen.