Aber zu mehr fehlt der Regierung von Schleswig-Holstein der Mut

Meine Großeltern mütterlicherseits sprachen oft Plattdeutsch, manchmal tat es auch meine Mutter. Aber seltsam: Was bei den Großeltern noch so selbstverständlich wirkte (und so viel leichter und verspielter als Hochdeutsch), trug bei „Muttern“ schon den Makel des Unechten, des Angestrengten. In unserer Familie ist Plattdeutsch ausgestorben.

Das ist traurig. Plattdeutsch gehörte in meiner Heimatstadt Lübeck zur Kultur, ebenso wie Friesisch und Dänisch in anderen Regionen Schleswig-Holsteins. Sprachen haben allerdings ein Problem. Sie lassen sich nicht ins Museum stellen, wie man es mit anderen kulturellen Errungenschaften tun kann, die wir dort mit einer gewissen Wehmut anschauen. Deshalb lautet der einigermaßen dramatische Befund: Wenn Sprachen nicht mehr gesprochen werden, gibt es nichts mehr, das an sie erinnert.

Mit dem Handlungsplan Sprachenpolitik der schleswig-holsteinischen Landesregierung gibt es nun ein bisschen mehr Hoffnung, dass das nicht geschieht. Aber der Plan ist lückenhaft. Wir haben zu wenig Plattdeutschlehrer und zu wenig Unterricht, besonders in den weiterführenden Schulen, der Basis der schulischen Ausbildung. Dort ist Platt ein Fremdwort. Der Landes­regierung hat hier der Mut gefehlt, mit Lehrplanvorgaben einen Entwicklungsprozess in Gang zu setzen, der zu einer allmählichen Ausbreitung des Plattunterrichts führen könnte. Solange hier nichts getan wird, bleibt das Ziel eines geschlossenen Bildungsgangs von der Kita bis zur Universität Wunschdenken.

Aber vielleicht wird der Niedergang des Niederdeutschen ja gestoppt, wenn diejenigen, die es sprechen, in Zukunft offensiver zu Werke gehen. Der Handlungsplan macht es möglich, dass jeder dieser 100.000 Schleswig-Holsteiner seine sprachlichen Fähigkeiten auch in Behördenschreiben einsetzen kann. Warum nicht dem Bürgermeister einmal auf Platt gepflegt die Meinung geigen, wenn die Straßen­beleuchtung nicht funktioniert? So ein Brief könnte es durchaus in die örtliche Zeitung schaffen. Also, liebe Plattdeutschsprecher und -schreiber: Schnacken Sie! Jedes im Alltag gesprochene Wort beweist: Plattdeutsch lebt.