Auch wenn es in der Union gärt – an Deutschland dürfte ein neues Hilfspaket nicht scheitern
Die griechische Tragödie geht in die Verlängerung. Der Grexit, den viele noch vor Stunden für ausgemacht hielten, scheint vorerst vom Tisch. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat für viele durchaus überraschend kluge Reformen versprochen und weitreichende Zugeständnisse an die Gläubiger gemacht. Endlich, möchte man meinen, bewegen sich die irrlichternden Politiker des Links-rechts-Bündnisses in Athen. Hoffnung keimt auf, dass jetzt sozial abgefedert überfällige Reformen initiiert werden, die Griechenland voranbringen. Geradezu überschwänglich loben die Gegner eines Grexit die Tsipras-Liste schon als Durchbruch.
Vor übertriebener Euphorie sei gewarnt. So bleiben Zweifel, woher diese Kehrtwende in allerletzter Sekunde rührt oder ob es doch wieder darum geht, auf Zeit zu spielen. In der Vergangenheit enttäuschte die griechische Regierung ihre Partner ein ums andere Mal. Einem Schritt in die richtige Richtung folgte der seitliche Ausfallschritt, oft gar ein Sprung zurück. Nun bitten die Griechen nicht nur um die Verlängerung der Unterstützung, sondern gleich um ein drittes Hilfspaket, das mehrere Landesparlamente in Europa abnicken müssten. Da gibt man sich geschmeidiger als zuvor.
Im Gegenzug zu weiteren 53,5 Milliarden Euro verspricht Alexis Tsipras vieles von dem, was die Gläubiger Ende Juni vergeblich gefordert hatten. Warum aber brachten die Griechen vor zwei Wochen ein Paket mit maximalem Krach zum Scheitern, setzten völlig überraschend eine Volksabstimmung an und nahmen dafür einen maximalen Schaden ihrer Volkswirtschaft zumindest billigend in Kauf? So handeln eigentlich nur Hasardeure.
In Deutschland wächst daher der Widerstand gegen ein weiteres Hilfspaket für einen unzuverlässigen wie unwilligen Partner. Gerade in der Unionsfraktion haben viele schon das zweite Paket nur mit geballter Faust in der Tasche durchgewinkt, ein drittes Mal wollen sie nicht gegen ihre Überzeugung stimmen. Das Papier aus Athen lag kaum vor, da klopften einige Parlamentarier aus der zweiten Reihe schon markige Sprüche und riefen laut Nein. Immerhin würde die deutsche Haftungssumme auf rund 100 Millarden Euro steigen. Und doch scheint klar – an Deutschland wird ein Hilfspaket nicht scheitern. Im Bundestag dürfte es immer eine Mehrheit finden.
Die Kanzlerin kann sich der Hilfe ohnehin kaum verweigern. Bislang war sie im Dilemma und musste wegen der Euro-Krise um das Wohl einer Union fürchten – entweder die Zukunft der eigenen Partei oder die der EU. Seit dem Parteitag der AfD hat sie ein Problem weniger. Die Euro-Gegner sind an Eitelkeit, Missgunst und Radikalität zerbrochen und verschaffen Merkel neue Freiheit: Sie kann ihrer Partei wieder mehr zumuten und die eigene Programmatik notfalls hintanstellen. Dazu gehört am Ende eben auch ein Rettungspaket mit Griechenland.
Außenpolitisch ist der Druck auf die Kanzlerin längst immens. Starökonomen in den USA schlagen auf Merkel ein, Präsident Obama warnt mehr laut als leise vor dem Grexit. Und Frankreichs Präsident Hollande lobte das Tsipras-Papier am Freitag ernsthaft als „seriös“ und „glaubwürdig“. Die deutsch-französische Achse, die einen auseinanderdriftenden Kontinent noch ein wenig zusammenhält, wird die Kanzlerin nicht für einige Rettungsmilliarden aufs Spiel setzen. So absurd es klingen mag – für Merkel ist eine Zustimmung fast alternativlos. An Deutschland kann, darf und wird ein drittes Paket nicht scheitern.
Fraglich allerdings ist, ob in allen anderen Landesparlamenten genauso gedacht wird. In den vergangenen Wochen haben die Griechen in Nord- und Osteuropa viel Kredit verspielt. Gut möglich, dass dort die Parlamente einem griechischen Hilfspaket ihre Zustimmung verweigern werden.
Auch die klassische griechische Tragödie endete stets mit dem Exodos.
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