Ob mit oder ohne Euro – Griechenland und seine Krise bleiben der EU erhalten

Der Umgang mit Freunden ist oft schwieriger als der mit Gegnern, verlangt er doch Verständnis, Geduld und Einfühlungsvermögen. Aber eben auch Konsequenz, wenn das Verhalten des anderen die Beziehung zu stören oder gar zu zerstören droht. So ähnlich zeigt sich derzeit das europäisch-griechische Verhältnis.

Die EU und der Euro-Raum wurden als Schönwetterveranstaltung konstruiert – ohne wirksame Sanktionen oder Ausstiegsszenarien bei grobem Fehlverhalten. Griechenland kam zum Euro, weil seine damalige Regierung trickste und die damaligen Granden der Gemeinschaft betrogen werden wollten. Vielleicht in einem ihrer humanistischen Bildung geschuldeten Anflug von Romantik, der sie vom antiken Hellas träumen ließ – und sie daran hinderte, den heutigen Balkanstaat zu erkennen: korrupt, von Vetternwirtschaft gezeichnet und ineffizient. Diese Versäumnisse nutzt die heutige Regierung in Athen bis zum Exzess aus. Das zerrt nicht nur an den Nerven ihrer Verhandlungspartner, sondern auch an denen der vielen ehrlichen Steuerzahler im Rest Europas. Es ist ein Hauch von Mikado dabei: Wer zuerst wackelt, hat verloren.

Diese Taktik ist auch den haltlosen Wahlversprechen eines Alexis Tsipras geschuldet. Seine Ankündigung, er werde sein Volk im Handumdrehen von den Mühsalen der Reform- und Sparpolitik befreien, ließ sich natürlich nicht verwirklichen. Er hat nun ein halbes Jahr Zeit, Geld und Geduld geschunden, sich am Wochenende per Referendum noch einmal Rückendeckung verschafft. In einer trüben Melange aus Selbstmitleid und Nationalismus hat er die Verantwortung für die nahezu ausweglose Situation allein den Geldgebern zugewiesen. Was aber nicht mal die halbe Wahrheit ist. Denn natürlich hat er zwar recht damit, dass Sparen und Kürzen allein nicht zu wirtschaftlichem Wachstum führen. Andererseits haben die von ihm und linken Wirtschaftstheoretikern verlangten Konjunkturprogramme aber nur dann einen Sinn, wenn es ein funktionierendes Steuersystem, eine wenigstens halbwegs effektive Verwaltung und attraktive Bedingungen für Investoren gibt.

Davon aber ist Griechenland auch nach einem halben Jahr Tsipras Lichtjahre weit entfernt. Und bisher hat die unheilige Allianz aus linken und extrem rechten Parteien, die in Athen das Ruder führt, nichts in dieser Richtung unternommen. Erst jetzt, da ihr in Brüssel erstmals unmissverständlich mit dem Zudrehen des Geldhahnes gedroht wird, scheint wirklich Bewegung in die Sache zu kommen. Tsipras bittet um ein drittes Rettungspaket, dessen bisher erkennbare Grundzüge dem am vergangenen Sonntag krachend abgelehnten ziemlich ähnlich sehen. Mit seinem zu Hause per Dreistigkeit und Referendum gewonnenen Heldenstatus könnte der Edel-Linke aus gutem Hause nun an ernsthafte Politik und konkrete Reformpläne gehen, ohne von seinen durch die Dauerkrise mittlerweile betäubten Landsleuten allzu laut des Verrats bezichtigt zu werden. Wenn er denn wirklich will und ihm seine Partner noch vertrauen.

Was aber immer bis Sonntagabend verhandelt und vereinbart wird – es wird kein Schlussstrich unter dem griechischen Dilemma sein. Den wird es auch auf absehbare Zeit nicht geben können. Denn Griechenland bleibt mit oder ohne Euro ein wirtschaftlich marodes und politisch desolates Mitglied der Gemeinschaft und des Kontinents. Dessen Bürger wird die EU nicht im Stich lassen können, wenn sie ihren Anspruch als Wertegemeinschaft ernster nimmt als Tsipras die vertraglichen Verpflichtungen, die seine Heimat eingegangen ist.