Die AfD kritisiert den Senat wegen angeblicher Förderung von linksradikalen Bands. Die Linke pöbelt gegen eine Südtiroler Combo.

Manchmal taugt das politische Alltagsgeschäft als Drehbuch für eine Groteske. Jedes Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft hat das Recht, den Senat mit Anfragen zu löchern oder zu langweilen, ihn auf entweder auf Trab oder in ernste Schwierigkeiten zu bringen. Es gibt Anfragen, da spürt man den Schweiß auf der Stirn derer, die sie beantworten müssen. Und es gibt Anfragen, da liest man ihr Kopfschütteln mit.

Ludwig Flocken und Alexander Wolf, Mandatsträger der AfD, waren nun offenbar einem Skandal auf der Spur, weil sich unter das Millionen­publikum beim Hafengeburtstag ein paar linksradikale Bands mischten, die von der Jolly Roger Bühne dann ihre schrille Weisen schrammelten. Ein politisch Lied, ein garstig Lied, dachten die beiden AfDler und rückten dem Senat auf den Pelz: Wie denn der Senat die seit Jahren „kontinuierlich stattfindenden Auftritte von Musikgruppen aus dem antifaschistischen, extrem linken Spektrum auf den von der Freien und Hansestadt Hamburg initiierten/unterstützten Hafengeburtstagen bewerte“, wollen sie wissen – und wie der Senat die „Musiktexte, in denen Exekutivorgane des Staates, wie die Polizei, verunglimpft/angegriffen werden“, bewerte. Und schließlich, wie der Senat die politische Orientierung der Musikgruppen Slime, Razzia, Los Fastidios, Stage Bottles und The Op­pressed einschätze. Ein Menge Bewertungsbedarf hat die AfD da angemeldet, doch der Senat gab sich einsilbig. Auf die drei Fragen (insgesamt gab es 18 und 43 Unterfragen) lauteten die Antworten lapidar: „Der Senat hat sich damit nicht befasst.“

Gottseidank, möchte man meinen! Der Senat hat doch hoffentlich noch etwas Wichtigeres zu tun, als Razzia-Texte zu interpretieren oder im Senatsgehege Slime zu lauschen. Das aber sieht die AfD ganz anders. Sie nimmt die Antworten als Beweis für die „ignorante Haltung von SPD und Grünen gegenüber den Gefahren durch Linksextremismus“.

Offenbar ist das Ausmaß von angstvoller Ablehnung des politischen Andersdenkenden und Andersmusizierenden ein guter Gradmesser für die eigene Souveränität. Während die AfD Antifa-Platten analysiert, jagt umgekehrt die Antifa nationalistische Barden – oder wen sie dafür hält.

Ihr Hauptgegner ist derzeit eine Rock-Combo, die man auf dem linken Flügel des politischen Spektrums eigentlich liebhaben müsste: Musiker, die sich als Freiheitskämpfer für eine Minderheit gerieren. Würden sie aus Irland, der Türkei oder Burkina Faso kommen, dürften sie bei jedem Kirchentag aufspielen. Allerdings besingt die Gruppe, da darf die deutsche Linke kein Pardon geben, die falsche Minderheit ... Frei.Wild versteht sich als Südtiroler Band, als Teil der deutschsprachigen Minderheit in Italien.

Schwupps, da erkennt die Antifa in jeder plump-kitschigen Heimatzeile finstersten Rechtsrock. Und nur weil sich Frei.Wild immer wieder klar vom Rechtsradikalismus abgrenzt, geben die Linken doch nicht die Deutungshoheit aus der Hand. Sie bestimmen, was faschistoid ist: In Thüringen ließ Sozialministerin Heike Taubert (SPD) die Texte der Band durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien untersuchen. In Niedersachsen verlangte die Grünen-Fraktion dasselbe. Der rauchende Colt war das Lied „Rache muss sein“ aus dem Jahr 2002. Doch die Bundesprüfstelle lehnte 2014 die Indizierung ab, weil der künstlerische Kontext im Album „gewaltfrei und zum Teil explizit gewaltablehnend“ sei.

Trotzdem forderte die Linkspartei in der Bürgerschaft im April 2015, das geplante Konzert der „ultranationalistischen“ Band Frei.Wild in Hamburg abzusagen. Schnell formulierte der Abgeordnete Norbert Hackbusch eine Kleine Anfrage zu den Umständen des Konzerts, und warum das Konzert dieser Band auf der Homepage der Stadt „euphorisch beworben“ wird.

Zugleich trommelte er für eine Online-Petition, wo sich Schnellklicker und Langsamdenker vernetzen. Dort heiß es: „Keine Bühne für Nationalisten in Hamburg – Frei.Wild-Konzert absagen“. Weil man der Band so recht nichts mehr vorwerfen konnte, ging man auf ihre Fans los: „Eine bedeutende Zahl von Frei.Wild-Anhängern goutiert im Netz auch NPD, Pegida, AfD.“

AfD! Das waren doch die Leute, die Musik auch so fürchten.

Also Brüder im Geiste.