Nach dem bewegenden Halbfinale dieser Frauen-WM zwischen den Fußballgroßmächten aus Amerika und Europa war es hilfreich, einmal Ali Krieger zuzuhören. Niemand aus dem Team USA spricht besser Deutsch als die Verteidigerin, die fünf Jahre in Frankfurt gespielt hat. Niemand kennt die Stärken und Schwächen der deutschen Nationalmannschaft besser. Und neben all den Lobeshymnen auf den tapferen Verlierer rutschte ihr dieser wichtige Satz heraus: Ihr Team habe das deutsche System gespielt.

Was viele der immer etwas blass wirkenden Britin Jill Ellis gar nicht zugetraut hätten, wagte die US-Trainerin: Sie modifizierte Personal und Taktik, um auf den Gegner zu reagieren. Mit den US-Girls gewann nicht nur die effizientere, sondern auch die intelligentere Mannschaft. Dem Europameister fehlte der Plan B, um im Notfall auf neue Gegebenheiten zu reagieren. Abermals verharrte Silvia Neid in alten Verhaltensmustern. Nur eine (viel zu späte) Einwechslung, nur ein in Nuancen verändertes Schema. Das 4-2-3-1-System, das jetzt der vor Selbstsicherheit strotzende Widerpart kopierte. Mit einer in die offensive Zentrale versetzten Alleskönnerin wie Carli Lloyd, die zur Matchwinnerin wurde.

Es ist nicht anzunehmen, dass die Bundestrainerin daraus direkte Lehren zieht. Für Neid geht es 2016 um etwas anderes: Neben den Pflichtaufgaben einer eher lästigen EM-Qualifikation wird sie im Hintergrund ihre Nachfolgerin Steffi Jones einarbeiten. Die DFB-Direktorin hat sich bei der WM, angeblich um die DFB-Auswahl nicht abzulenken, gar nicht blicken lassen.

Aber dieser Entschluss war gewiss kein gutes Zeichen. Um die aktuellen Trends im Frauenfußball zu erspähen, hätte es der Anwesenheit in den Stadien bedurft. Ob Jones, die noch gar keine Trainererfahrung besitzt, die noch nicht einmal für eine Juniorinnenauswahl oder ein Vereinsteam die Verantwortung übernommen hat, wirklich die Richtige ist, um hinter der allseits respektierten Silvia Neid ein talentiertes, aber noch nicht vollends austariertes deutsches Ensemble für die WM 2019 in Frankreich auf die letzte technisch-taktische Entwicklungsstufe zu führen, wird eine spannende Frage. Zweifel sind angebracht.