Wäre unser Planet eine Bank, hätten die führenden Industrienationen längst einen finanziellen Rettungsschirm für die Umwelt gespannt

In Elmau treffen sich die Regierungschefs der größten Industrieländer der Welt. Auch wenn der Anteil dieser Staaten an der Weltwirtschaft schrumpft, ist ihr ökonomischer Einfluss noch immer beachtlich. Die größte Wirtschaftsmacht der Erde sitzt hingegen nicht mit am Tisch. Und es handelt sich nicht um China oder Russland. Die Natur selbst ist eine wirtschaftliche Supermacht. Sie erbringt gigantische Leistungen. Ob saubere Böden und Atemluft, Wasser oder die Speicherung von Kohlendioxid durch Wälder und Ozeane, Medizinpflanzen, die Verhinderung von Erosion, Bestäubung der Blüten von Obst- und Ackerfrüchten oder die Produktion von Brenn- und Treibstoffen – all das bietet die Natur quasi zum Nulltarif. Der Wert dieser Leistung wird auf rund 125 Billionen Euro pro Jahr kalkuliert. Das ist das Vierfache des Bruttosozialprodukts der G7-Staaten.

Angesichts dieser gigantischen Summen ist es nur logisch, warum Umweltthemen, Klima- und Meeresschutz diesmal eine wichtige Rolle auf dem Treffen in Elmau spielen. Und das ist auch gut so.

Auch wenn die G7-Staaten nicht mehr so unangefochten die Weltpolitik dominieren wie zu ihrer Gründung in den 1970er-Jahren, so können von dem Treffen der großen Industrienationen wichtige Impulse ausgehen. Die Spitzenpolitiker haben es in der Hand, globale Normen und Standards voranzutreiben und durchzusetzen.

Beim letzten Gipfel in Deutschland, 2007 im Ostseebad Heiligendamm, gelang es Kanzlerin Angela Merkel, dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush ein wichtiges Zugeständnis abzuringen. Obwohl er im Herzen sicher alles andere als ein Klimaschützer ist, stimmte er dem Zwei-Grad-Limit für globale Erwärmung zu. Seitdem ist dieser Grenzwert zur weltweiten Norm geworden und wurde auf den folgenden UN-Klimagipfeln zum von allen Staaten getragenen Ziel.

Ähnliche Impulse fordert der WWF auch vom Treffen in Elmau. Dieses Mal sollen sich die G7-Staaten zu einem weiteren wegweisenden Schritt im Klimaschutz verpflichten, er lautet „Dekarbonisierung der Weltwirtschaft“: Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts müssen die führenden Industriestaaten aus Kohle, Öl und Gas aussteigen, ihre Energieversorgung auf erneuerbare Energien umstellen und Energieeffizienzmaßnahmen massiv vorantreiben. Ein derartiges Zeichen ist diesmal besonders wichtig, da im Dezember ein neues globales Klimaabkommen in Paris verabschiedet werden soll. Nachdem der Versuch in Kopenhagen 2009 krachend gescheitert war, stehen die Chancen diesmal besser. Der G7-Gipfel kann Vorarbeit leisten, um den Kurs richtig zu setzen.

Neben dem Klimaschutz haben es weitere wichtige Umweltthemen auf die Tagesordnung geschafft. Dazu gehören Meeresschutz, nachhaltige Entwicklung und soziale und ökologische Standards für internationale Lieferketten im Handel. Doch bei einer Tagungsdauer von gerademal 24 Stunden und einer Vielzahl von Besprechungspunkten könnten die G7-Staaten geneigt sein, wichtige Umweltthemen bis zur nächsten Katastrophe zu verschieben. Das jedoch können wir uns nicht leisten. Deutlich wird das beim Meeresschutz: Es wird prognostiziert, dass sich Plastikmüll in Ozeanen bis 2050 verdreifachen könnte. Bereits heute verenden eine Million Seevögel daran. Kleine Plastikpartikel durchdringen die Nahrungskette, landen über den Fischkonsum auf unseren Tellern. Ein G7-Appell an die UNO könnte zu einer globalen Lösung des Problems beitragen, um den Meeresmüll zu verringern und bei Abfallvermeidung, Wiederverwertung, alternativem Verpackungsmaterial und Mülldeponiemanagement neue Wege zu gehen.

Wenn die G7-Staaten sich nicht für den Schutz von Ökosystemen in den Entwicklungsländern einsetzen, fällt das auf sie zurück. Im Falle der Plastikpartikel in Speisefisch wird das klar. Investitionen in Umweltschutz, ressourcenschonende Technik, Recycling und der Erhalt wichtiger Ökosysteme wie Wälder und Korallenriffe sind daher von zentraler Bedeutung. Es gibt viel zu tun. Von Elmau muss ein Signal des Aufbruchs ausgehen. Klar ist: Wäre der Planet eine Bank, hätten die G7 schon lange einen Rettungsschirm mit den nötigen Finanzmitteln aufgespannt.