Der Abgang von Senator Scheele zur Agentur für Arbeit wäre logisch, reißt aber eine Lücke.
Gut einen Monat ist der neue, rot-grüne Hamburger Senat erst im Amt, und schon wird über den Abgang des ersten Senators spekuliert. Das wirkt auf den ersten Blick etwas merkwürdig, doch auf den zweiten nicht mehr.
Denn auch wenn einiges dafür spricht, dass Sozialsenator Detlef Scheele auf den Chefsessel der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg wechselt, weil er zweifellos einer der qualifiziertesten Anwärter auf den Posten ist – noch ist es halt nicht beschlossen. Außerdem würde sein Umzug nicht vor 2016 oder 2017 stattfinden. Ein Gutteil der Wahlperiode wäre er also noch in Hamburg im Amt. Ihn im April nicht mehr in den Senat zu berufen, weil möglicherweise in einigen Jahren ein beruflicher Wechsel ansteht, wäre aus Scheeles Sicht ein allzu riskantes Unterfangen gewesen, dafür dreht sich der Wind in der Politik zu schnell – und die Bundesagentur ist halt auch und vor allem ein politisches Instrument.
Dass ein Hamburger Regierungsmitglied sich auf Bundesebene neu orientiert, liegt im übrigen auf der Linie, die Olaf Scholz vorgibt. Der Bürgermeister war nicht nur lange Bundespolitiker, es entspricht auch bis heute seinem Selbstverständnis, nicht nur die kleinen Stellschrauben in Hamburg zu justieren, sondern bei jeder Gelegenheit an den großen Rädern in Berlin, Brüssel oder notfalls auch darüber hinaus zu drehen. Und mehr als seine Vorgänger ermuntert Scholz seine Senatoren, auf Bundesebene Präsenz zu zeigen – was durchaus im Hamburger Interesse liegt. Denn viele große Entscheidungen, etwa zum Autobahnausbau, zur Elbvertiefung oder zur HSH Nordbank, fallen nicht an der Elbe, sondern in Berlin oder Brüssel. Wer dort nicht mitredet, kann auch nichts für Hamburg erreichen.
So waren an den Koalitionsverhandlungen 2013 zwischen CDU und SPD im Bund außer Scholz diverse Senatsmitglieder beteiligt – unter ihnen Detlef Scheele. Sportsenator Michael Neumann tingelt durch die Republik und wirbt für Hamburgs Olympiabewerbung, und die frühere Justizsenatorin Jana Schiedek hatte sich bundesweit mit ihrem Vorstoß zur Frauenquote profiliert. Dass Hamburgs Politiker nun häufiger im Gespräch sind, wenn Posten auf Bundesebene zu vergeben sind, ist die logische Konsequenz.
Das Stichwort Frauenquote führt zu einer anderen Betrachtungsweise der Personalie Scheele. Denn wenn Parteien wie SPD und Grüne Gleichberechtigung predigen, aber einen Senat mit nur einem Drittel Frauen aufstellen, ist das ein Armutszeugnis. Scholz will es ändern. Doch dafür müssen erst mal Männer gehen. Scheeles Ambitionen könnten nun die erste Gelegenheit bieten, das Bild zu korrigieren.
Das reißt allerdings eine Lücke an anderer Stelle. Was es bedeutet, die Mammutbehörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration zu führen, würde wohl erst richtig klar, wenn Detlef Scheele sein Amt aufgeben sollte. Denn der „Sozialsenator“, wie er immer etwas verniedlichend genannt wird, hat einen der schwersten Jobs im Senat. Er muss einen Milliardenetat im Zaum halten, daher Begehrlichkeiten von Sozialverbänden und Trägern abwehren, Kitaplätze und Flüchtlingsunterkünfte schaffen und leider auch immer wieder erklären, warum in Hamburg Kinder zu Tode kommen – obwohl die Verantwortung für diese Fälle nicht in seinem direkten Einflussbereich liegt.
Scheele ist all diesen Problemen und Konflikten nie aus dem Weg gegangen, mitunter hat er sie mit einer gewissen Freude an der verbalen Rauferei sogar gesucht und sich dabei nicht nur Freunde gemacht. Insofern ist er für Scholz ungemein wertvoll. Und die Person, die diese Rolle ausfüllen kann, wird nicht leicht zu finden sein.
Seite 8 Senator Scheele auf dem Absprung?