Die Energiewende macht Deutschland zum Gewinner im Ringen um mehr globale Sicherheit.
Beim Treffen der G7-Energieminister in Hamburg zeigte sich, dass es einen Königsweg für die Energieversorgung der kommenden Jahre nicht gibt. Japan will – trotz der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 – zurück zur Nutzung der Atomkraft. Die USA verstärken die Ausbeutung ihrer Erdöl- und Erdgasreserven mithilfe der in Europa umstrittenen Fracking-Technologie. Deutschland hingegen baut seine Führungsposition bei der Nutzung der erneuerbaren Energien immer weiter aus, vor allem auch mit den neuen Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee.
Wirtschaftliche Beweggründe spielen eine wichtige Rolle für den jeweiligen Energiemix der Staaten, aber auch Erwägungen der nationalen Sicherheit und Unabhängigkeit. Anders ist es nicht zu erklären, dass Großbritannien ein neues Atomkraftwerk bauen will, das für 35 Jahre mit weit höheren Subventionen gefördert werden muss als heutzutage etwa die Windkraft oder die Solarenergie. Die USA wiederum sehen in der Erhöhung ihrer Eigenförderung auch die Chance, die Weltenergiemärkte durch den Export von Öl und Erdgas in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Durch alle kurzfristigen Vorteile aber werden die langfristigen Nachteile nicht beseitigt. Zwar steigen die Energieversorger in den USA bei der Strom- und Wärmeerzeugung vielerorts von Kohle auf Erdgas um. Gas erzeugt bei der Verbrennung weniger Treibhausgas Kohlendioxid als Kohle, das ist gut für das Klima. Gleichzeitig hemmt die billige fossile Energie in den Vereinigten Staaten dort den Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Renaissance der Atomkraft in Japan senkt wiederum den Druck, Energie einsparen zu müssen. Allerdings hat Japan so wenig ein Endlager für hoch radioaktiven Atommüll wie alle anderen Länder, die Atomkraftwerke betreiben. Und die Hoffnung auf eine japanische Energiewende erfüllt sich einstweilen nicht.
Deutschland hingegen erntet derzeit die Früchte eines jahrelangen Strukturwandels. Ein neues System der Energieversorgung nimmt Gestalt an. Auf der Erzeugungsseite, bei Windkraft und Solarenergie, werden die Kosten in den kommenden Jahren weiter rapide sinken. Nun kommt es darauf an, modernste Systeme zu entwickeln, in denen das schwankende Angebot der erneuerbaren Energien mit den Erfordernissen einer sicheren Versorgung in Einklang gebracht werden kann. Dazu gehören modernste Energie- und Kommunikationsnetze ebenso wie Speicher für Wärme oder Wasserstoff.
Norddeutschland ist vor allem durch seinen riesigen Energieertrag aus Windkraftwerken an Land und auf See ein Vorreiter der Energiewende weltweit. Allerdings muss diese erneuerbare Energie nun in ein System integriert werden, das einer für ein Industrieland sicheren Versorgung angemessen ist. Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in der Metropolregion Hamburg und an den Küsten werden die Energiewende mit ihren Initiativen und Projekten qualitativ und technologisch auf ein höheres Niveau heben.
Dass Deutschland so weit kommen konnte, ist auch glücklichen Umständen zu verdanken. Anders als derzeit in der Ukraine herrscht in der Europäischen Union Frieden. Ein politisches Rahmenwerk fördert die Energiewende. Es gibt Unternehmen, die bereit sind, Zeit und Geld für die Entwicklung neuer Technologien zu riskieren, und viele Bürger haben ihre eigene Energiewende im Haus längst realisiert. Es wird wohl noch 20 Jahre dauern. Dann aber könnte Deutschland eine Energieversorgung haben, weitgehend frei von Treibhausgasen, Naturzerstörung und Atommüll. Es wäre das modernste System der Welt – und die Basis für eine echte Trendwende im Kampf gegen den Klimawandel.