Spannendere Bürgerschaftsdebatten werden kaum helfen. Das Problem ist grundsätzlicher.

Ja, es stimmt: Wenn die Bürgerschaft im Rathaus zusammenkommt – außerhalb der Schulferien etwa alle zwei Wochen –, dann herrscht in den Logen und auf den Zuschauertribünen häufig gähnende Leere. Ehrlicherweise sei hinzugefügt, dass auch die Pressebänke zumindest mit Fortdauer der Plenarsitzung immer leerer werden. Die Live-Übertragungen der Bürgerschaftsdebatten im Internet sind, um es vorsichtig auszudrücken, nicht gerade Klick-Highlights. Und der Tag der offenen Tür im Rathaus, an dem das Parlament einmal im Jahr über seine Arbeit informieren möchte, ist längst zu einem Touristenmagneten geworden – für viele eine gute Gelegenheit, sich das eindrucksvolle Haus einmal von innen anzusehen. Jedenfalls nehmen viele Abgeordnete das so wahr.

Es ist also richtig, wenn sich die Parlamentarier Gedanken darüber machen wollen, wie die Bürgerschaft attraktiver werden kann und von den Bürger stärker wahrgenommen wird. Viele Vorschläge sind ehrenwert, werden aber das grundsätzliche Problem mit Sicherheit nicht lösen. Die erschreckend niedrige Wahlbeteiligung von zuletzt kaum mehr als 50 Prozent belegt, wie wenig Bedeutung das Landesparlament in den Augen der Hamburger offensichtlich noch hat.

Völlig zu Unrecht: Denn die Bürgerschaft entscheidet zum Beispiel darüber, in welcher Form und von wie­ vielen Lehrern unsere Kinder unterrichtet werden. Das Landesparlament beschließt auch, ob mehr oder weniger Polizisten eingestellt werden, um nur zwei nicht ganz unwichtige Themen anzutippen. Es gibt Nichtwähler, die von der Politik nichts mehr erwarten, weil sie sich ins Abseits gedrängt sehen. Und es gibt die, denen es im Grunde (zu) gut geht und die sich der Mühe des Wählens aus Bequemlichkeit nicht unterziehen. Der Demokratie dürfen beide Gruppen nicht verloren geben.

Es wird die Aufgabe der Bürgerschaft in der kommenden, erstmals fünfjährigen, Legislaturperiode sein, das von vielen als zu kompliziert empfundene Wahlrecht wieder zu vereinfachen. Es darf keine intellektuelle Hürde beim Ausfüllen des Stimmzettels geben. Und was nützt es, wenn man Stimmen individuell an einzelne Kandidaten statt nur an Parteien vergeben kann, einem die meisten Namen der Bewerber aber gar nichts sagen? Das ist dann nur eine Scheinauswahl.

Der zweite wichtige Baustein zur Reaktivierung des politischen Engagements lautet Beteiligung, Partizipation. Volksentscheide können große Teile der Bevölkerung bei konkreten Themenstellungen mobilisieren, die Primarschule und der Rückkauf der Energienetze haben das gezeigt. Mindestens so wichtig ist jedoch, dass die Politik ihre Entscheidungen vor Ort nicht nur erklärt, sondern zur Diskussion stellt. Das heißt auch: Widerstand gegen Entscheidungen von Senat und Bürgerschaft frühzeitig ernst nehmen!

Erst wenn diese Voraussetzungen geschaffen sind, besteht die Chance, dass mehr Menschen mit Spannung und Interesse auf den Ort blicken, an dem die wichtigsten Entscheidungen für die Stadt getroffen werden: die Bürgerschaft, die CDU-Oppositionschef André Trepoll zu Recht die „Herzkammer der Demokratie“ nennt.

Die Bürgerschaft sollte sich auf das Wesentliche konzentrieren: weniger, aber dafür relevantere Debatten. Das schließt den weitgehenden Verzicht auf ritualisierte Schlagabtausche ein. Selbstverständlich wäre es ein Beitrag zur Lebendigkeit, wenn alle Abgeordneten frei redeten. Das wird aber vermutlich ein frommer Wunsch bleiben. Beim Plan, eine Bürgermeister- und Senatoren-Fragestunde einzuführen, ist Skepsis angebracht. Zu leicht kann sich der Gefragte darauf zurückziehen, die Fakten gerade nicht parat zu haben.