Nach Umfragen wünscht sich eine Mehrheit der US-Bürger einen Wahlsieg von Hillary Clinton. Andere warnen vor einer Schlammschlacht.

Was ist eigentlich mit dem Messias passiert? Der versprochen hatte, dass die Menschheit eines Tages zurückblicken und sich an jenen Moment erinnern werde, „als der Anstieg der Ozeane sich zu verlangsamen begann und die Heilung unseres Planeten einsetzte“. Diese Frage stellte der Londoner „Guardian“ am 4. November vergangenen Jahres, als die Amerikaner zu den „midterm elections“, den Kongresswahlen zur Halbzeit, an die Urnen gingen. Jener Moment – das war die Wahl von Barack Obama zum Präsidenten der USA 2008.

Und das Blatt stellte fest, dass sich inzwischen sogar viele demokratische Politiker davor drückten, mit Obama gesehen zu werden; seine Zustimmungsrate verkümmere bei 40 Prozent. Und am Ende folgte die geradezu ketzerisch anmutende Frage: Haben die amerikanischen Wähler Ende 2008 die falsche Entscheidung getroffen? Indem sie den ersten schwarzen Präsidenten wählten anstatt die erste weibliche Präsidentin? Hillary Clinton sei politisch erfahrener und in vielerlei Hinsicht einfach härter. Sieben Jahre später richtet sich das Augenmerk politischer Analysten noch einmal auf die frühere Außenministerin und Ehefrau des 42. US-Präsidenten, der von 1993 bis 2001 amtierte.

Hillary Clinton wäre 69 Jahre alt, wenn sie 2016 ins Weiße Haus einzöge. Doch ein jüngerer Herausforderer im demokratischen Lager, der vergleichbare Erfahrung im Barrakuda-Becken der amerikanischen Innenpolitik besitzt, ist nicht in Sicht. Die Zeile einer Analyse der US-Nachrichtenplattform vox.com lautete: „Hillary Clinton kandidiert nicht ohne Mitbewerber. Sie zerschmettert sie nur.“

Nach Umfragen sprechen sich die meisten US-Bürger für Hillary Clinton aus. Hinzu kommt, dass wohl nur wenige in Washington so gut vernetzt mit den Reichen und Mächtigen sind wie die Clintons. Ihre Stiftung nahm im vergangenen Jahr fast 200 Millionen Dollar an Spenden ein. Die Nähe zur Finanzwelt der Wall Street mit ihren ganz eigenen moralischen Regeln ist einerseits ein gewaltiger politischer Vorteil in einem Land, in dem ein Präsidentschaftskandidat sehr viel Geld im Rücken haben muss. Und es ist andererseits ein politisches Risiko in einem Land, das zu begreifen beginnt, wie ungerecht die stetig wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in den USA ist und dass die uramerikanische Geschichte vom Tellerwäscher, der sich bis zum Millionär hocharbeitet, längst zu einem Mythos geronnen ist.

Hillary Clinton ist noch machtbewusster und ehrgeiziger, als ihr Mann es je war. Und die momentan etwas abebbende Aufregung über ihren Umgang mit offiziellen E-Mails als Außenministerin zeigt, dass sie gern eigene Regeln aufstellt, nach denen sie handelt. Clinton hatte, offenbar der Bequemlichkeit halber, ihre gesamte E-Mail-Korrespondenz über ihren privaten Server abgewickelt. Rund 63.000 E-Mails kamen da zusammen. Da aber US-Präsident Obama Transparenz von seinen Ministern fordert und US-Bürger das Recht haben, Dokumente der Regierung einzusehen, stellte Clinton ihre Korrespondenz ins Netz. Genauer gesagt, die Hälfte. Denn die Politikerin löschte rund 32.000 Mails, da es sich dabei „um Yoga-Termine“ und ähnlich Privates gehandelt habe. Doch ob das stimmt oder ob vielleicht auch unangenehme berufliche Mails gelöscht wurden, weiß niemand.

Die Karrieren der Clintons sind umweht von diversen Skandalen. Da war unter anderem der Whitewater-Immobilienskandal, da war „Filegate“, bei dem Hillary Clinton als First Lady möglicherweise unberechtigte Einsicht in geheime FBI-Akten genommen hatte, da war Bill Clintons außereheliche Beziehung mit Monica Lewinsky usw. Eine Clinton-Kandidatur würde vermutlich eine Schlammlawine auslösen.

Doch die Befürworter einer solchen Kandidatur sind zahlreich. So hat die frühere australische Premierministerin Julia Gillard angekündigt, Clinton „laut anzufeuern“. Eine Frau im Weißen Haus, so meint Gillard, hätte eine „gewaltige globale Auswirkung“. Sie wäre zum Beispiel ein machtvolles Signal an die frauenfeindlichen islamistischen Extremisten der Welt.