Der Staatskonzern plant ein großes Investitionsprogramm. Doch es gibt viele Fragezeichen.

Wer mit der Deutschen Bahn fährt, hat danach viel zu erzählen. Allerdings nur selten etwas Schönes. Mit Geschichten über Verspätungen, verpasste Anschlusszüge, kaputte Klimaanlagen oder verdreckte Abteile ließen sich in Bahnfahrer-Familien seitenstarke Romane füllen. Fortsetzung garantiert. Die Bahn kämpft nicht nur gegen ihren schlechten Ruf, sie hat tatsächlich tiefer gehende Probleme, welche die Führung des Staatsbetriebs längst kennt. Und trotzdem hat die Konzernspitze jahrelang auf das Prinzip „business als usual“ gesetzt. Preise wurden pünktlich zum Fahrplanwechsel erhöht, Strecken verschwanden vom Schienennetz, notwendige Investitionen in den Fuhrpark fanden nicht statt.

Doch gestern stellte das Unternehmen ein Zukunftsprogramm vor, das allen unzufriedenen Kunden Mut machen sollte. Wäre der Werbeslogan nicht schon von einem großen deutschen Autohersteller reserviert, könnte man ihn ohne Probleme auf die Deutsche Bahn oder besser ihren Vorstand übertragen: „Wir haben verstanden“.

Rund zwölf Milliarden Euro will der Konzern in die Hand nehmen, um Millionen neuer Kunden zu gewinnen. Denn die Zeiten, in denen man die Unzufriedenheit der Fahrgäste mit einem Schulterzucken abtun konnte, sind vorbei. Dazu hat vor allem die starke Konkurrenz der Fernbusse beigetragen, gegen die sich die Deutsche Bahn ohne Erfolg gewehrt hat. Seit Anfang 2013 heizen Busunternehmen dem Schienenkonzern kräftig ein. Anfangs wurden die neuen Wettbewerber noch als rollende Blechbüchsen verspottet. Mittlerweile sind sie eine ernst zu nehmende Konkurrenz und werden als solche auch vom Bahn-Management gesehen. Denn sie werben nicht nur mit niedrigen Preisen, sondern haben auch in puncto Zuverlässigkeit und Komfort einen guten Ruf.

Die Bahn holt zum Befreiungsschlag aus. Sie will deutlich mehr und schnellere Verbindungen im Fernverkehr anbieten. Neue Schnupper-BahnCards sollen Auto- und Busfahrer auf die Schiene holen. Zuschläge für Reservierungen werden abgeschafft. Und kostenloses Internet soll Standard im Fernverkehr werden. Alle diese Maßnahmen sind sinnvoll und können dazu beitragen, mehr Kunden in die Züge zu locken. Ob sie am Ende tatsächlich ausreichen, um den Negativtrend im Fernverkehr nachhaltig zu stoppen oder gar umzudrehen, wird man erst in einigen Jahren wissen. Denn die Konkurrenz schläft nicht. Auch die Fernbusse werden ihr Angebot ausweiten. Und auf der Schiene muss sich die Deutsche Bahn mittlerweile auch im Fernverkehr Konkurrenten wie dem Hamburg-Köln-Express erwehren.

Das gestern vorgestellte Programm beweist einmal mehr, dass eine zunehmende Konkurrenz positiv für die Kunden ist. Denn mehr Wettbewerb spornt zu immer besseren Leistungen und Angeboten an. Allerdings ist die Ankündigung des gestrigen Programms nur ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Investitionen sind für einen sehr langen Zeitraum angesetzt. Das heißt, ihre Umsetzung wird zum Teil noch viele Jahre auf sich warten lassen. Dies betrifft vor allem die neuen und schnelleren Verbindungen im Fernverkehr. Und gerade hier hat die Bahn mit Blick auf die Wettbewerber einen immensen Nachholbedarf. 15 Jahre Zeit hat sich der Konzernvorstand für die bessere Anbindung von insgesamt 65 zusätzlichen Städten bundesweit gegeben, ein langer, möglicherweise zu langer Zeitraum.

Zudem sind die Aussagen zur künftigen Preisstruktur eher nebulös. Von Sparpreisen ab 19 Euro im Fernverkehr ist die Rede. Doch mit vereinzelten Lockangeboten allein wird die Bahn gerade die preissensiblen Kunden der Busunternehmen nicht wieder zurück in die Züge locken. Die Pläne lesen sich auf den ersten Blick vielversprechend. Aber sie müssen möglichst schnell mit Leben gefüllt werden. Die wirkliche Arbeit für die Deutsche Bahn beginnt mit dem heutigen Tag.