Angesichts der bevorstehenden Entscheidung über den deutschen Kandidaten für Olympische Sommerspiele ist in den vergangenen Wochen viel über Hamburgs Entwicklung zu einer Sportstadt gesprochen worden. Zu Recht, weil sich in diesem Bereich spätestens seit dem Jahr 2000 so viel getan hat wie in keiner anderen deutschen Metropole. Die Dynamik ist bis heute unübersehbar und hat dazu geführt, dass Hamburg ein ernsthafter Wettbewerber der Hauptstadt ist, dass Berlin die Hansestadt genauso fürchten muss wie umgekehrt.

In der Kultur ist das noch nicht so. Es wäre vermessen, von einem Duell auf Augenhöhe zu sprechen, zumal man damit anderen wichtigen Kulturstädten in Deutschland Unrecht täte. Aber Tatsache ist auch, dass Hamburg in Sachen Kultur gewaltig aufholt. Wie im Sport beginnt eine langfristige, eigentlich am Bau der Elbphilharmonie orientierte Strategie zu greifen, die glücklicherweise von vielen privaten Initiativen ergänzt wird. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Rede soll an dieser Stelle (noch) nicht von Inhalten. also von Weltklasse-Inszenierungen, Maßstäbe setzenden Auftritten oder Ähnlichem sein. Erst einmal geht es in Hamburg um Investitionen in Steine und Beton, die aber im wahrsten Sinne des Wortes Grundlage für große Kultur werden können.

Wenn man sich allein die Nachrichten der vergangenen Monate ansieht, wird deutlich, wie schnell und in welche Richtung Hamburg sich kulturell verändert. Während anderswo, durchaus auch in Großstädten, über die Schließung von Theatern geklagt wird, eröffnen im Hafen und im Großmarkt zwei riesige (Musical-)Theater, ganz so, als gebe es keine anderen in Hamburg. Das Bucerius Kunstforum zieht in ein eindrucksvolles, größeres Gebäude gegenüber dem Rathaus, die Deichtorhallen werden spektakulär umgebaut. Alles Maßnahmen, die schon jetzt dabei helfen, Hamburgs Bedeutung als Kulturstadt auf ein neues Niveau zu heben.

Dabei steht die Eröffnung des eigentlichen Beschleunigers dieser Entwicklung ja (leider) noch aus. Wenn Anfang Januar 2017 endlich die Elbphilharmonie offiziell ihrer Bestimmung übergeben wird, dürfte die Hansestadt kulturell schon in einer höheren Liga spielen, als die Planer des Hauses dies ursprünglich vorausgesehen hatten. Von da an ist vieles möglich, Weltniveau inklusive.

Bei den Musicals hat Hamburg dieses längst erreicht, zeigt aber gleichzeitig, dass trotz hoher Besucherzahlen und etlicher Theater beziehungsweise Stücke in diesem Bereich immer noch etwas geht. Das ist, wie bei vielen Kulturprojekten Hamburgs, umso erfreulicher, weil das dabei benötigte Geld sehr oft von Privatleuten oder Stiftungen kommt und den im Vergleich eher schmalen öffentlichen Kulturetat nicht belastet – die Elbphilharmonie natürlich ausgeschlossen.

Es wird interessant zu beobachten sein, was der kulturelle Aufschwung in den kommenden Jahren mit dem Selbstverständnis Hamburgs macht. Das definiert sich bisher ja vor allem als Kaufmanns- und Hafenstadt, ein Bild, das sich im Wesentlichen auch mit der Einschätzung von Nichthamburgern deckt. Künftig könnte Hamburg aber auch noch viel stärker als Sport- und eben als Kulturstadt wahrgenommen werden und damit endlich ein Stück jener Internationalität (zurück-)gewinnen, dessen Fehlen in den vergangenen Jahren zu Recht bemängelt wurde. Bleibt die Frage, ob beziehungsweise wie die vermeintliche Hoch- und die „andere“ Kultur es schaffen, aus ihrer neuen Rolle gemeinsam Kapital zu schlagen. Wie es gehen könnte, haben Breiten- und Leistungssport in Hamburg ja gerade vorgemacht.