Koalitionsverhandlungen erinnern immer ein wenig an einen orientalischen Basar. Da wird gefordert, gefeilscht, getrickst. Das muntere Geschachere ist Teil der Folklore: Wären sich die Partner binnen weniger Stunden handelseinig, würde das Wähler wie Journalisten verstören – und die eigenen Anhänger empören. Die Mitglieder verlangen nach Streit und nicht nach Harmonie; die Verhandlungsführer sollen zum Äußersten gehen und das Maximale herausholen. Dementsprechend versuchen sich auch die Hamburger Grünen in den Gesprächen mit der SPD teuer zu verkaufen. Wer sie kennt, weiß um ihr Sitzfleisch und ihr Verhandlungsgeschick.
Mit ihrem jüngsten Vorstoß aber hat die grüne Verhandlungsdelegation ziemlich hoch gepokert. Sie wollten überraschend das Thema Elbvertiefung wieder aufschnüren, das politisch längst entschieden ist und seit Jahren zur finalen Entscheidung in der Hand der Richter liegt. Besonders bizarr: Ihr Vorstoß ähnelt der eigenen Idee aus den schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen vom Frühjahr 2008. Vor exakt sieben Jahren zauberte die GAL den Kompromissvorschlag einer Elbvertiefung um 50 Zentimeter aus dem Hut und ließ sich diese Idee teuer wegverhandeln. Erst danach stimmte sie der Elbvertiefung zu und bekam dafür die Stiftung Lebensraum Elbe. Während diese längst zum Wohle der Natur arbeitet, wartet der Hafen weiter auf die Elbvertiefung.
Offenbar dachten die Grünen, eine alte Skatregel gelte auch in Koalitionsgesprächen: Wat einmal geht, geht zweimal! Als kleine Variation wollten sie nun den Baggern 70 Zentimeter statt des geplanten Meters zugestehen.
Bei allem strategischen Verständnis: Dieser Vorstoß ist unseriös. Zum einen ist das Verfahren deutlich weiter fortgeschritten als beim schwarz-grünen Rendezvous 2008, darüber muss nicht mehr verhandelt werden. Zum anderen würde ein neuer politischer Beschluss die Fahrrinnenanpassung um Jahre zurückwerfen. Und ob die klagenden Umweltverbände sich auf einen solchen Kompromiss einlassen, scheint fraglich. 2010 lotete der Senat die Stimmung aus, was die Kläger von einer Vertiefung light halten. Die Antwort fiel relativ deutlich aus: Wenig. Auch die Hafenwirtschaft machte klar: Ein bisschen schwanger geht nicht. So schön ein Kompromiss auch ist, nicht immer liegt die Wahrheit in der Mitte. Seit Jahren versprechen die Hamburger überall in der Welt, in Kürze werde die Elbvertiefung kommen, damit auch die größten Schiffe den Welthafen zuverlässig anlaufen können. Die permanenten Verzögerungen der Fahrrinnenanpassung haben der Glaubwürdigkeit Hamburgs schon schwer geschadet, eine Elbvertiefung light würde das Ansehen ramponieren.
Die SPD hat den Vorschlag nun konsequenterweise abgeschmettert. In Hafen und Wirtschaft aber schürt der Vorstoß alte Vorbehalte. Viele glauben, dass die Grünen weiter gegen die von ihnen einst beschlossene Elbvertiefung arbeiten. Das macht die Verhandlungen für die SPD nicht leichter. Denn im laufenden Verfahren zur Fahrrinnenanpassung wird die Umweltbehörde Hamburg noch Stellung nehmen müssen. Ein grüner Senator könnte also dagegenschießen, das Projekt zusätzlich verzögern oder gar verhindern.
Wenn die Grünen mit diesem Vorstoß nur ihre Position in den Verhandlungen verbessern wollten, haben sie eher das Gegenteil erreicht. Den Optimismus beider Parteien kann das noch nicht schmälern, aber ganz so glatt wie erwartet muss es nicht laufen. Die Grünen sollten an das Bild des Basars denken: Wenn man sich gar nicht einig wird, kann Olaf Scholz auch zum nächsten Händler gehen. Katja Suding wartet schon.