Koalitionsverhandlungen im Rathaus beginnen harmonisch
Daran müssen sich die Hamburger Grünen noch gewöhnen: Sie führen Koalitionsverhandlungen, und der Rest der Republik nimmt kaum Notiz davon. Fast alle politischen Beobachter gehen davon aus, dass sie als Verhandlungspartner in die Gespräche gehen und als Koalitionspartner wieder herauskommen. Ein rot-grünes Bündnis, einst für seine Gegner ein Synonym für „Chaos“, ist inzwischen bundesdeutscher Normalfall.
Vor 18 Jahren war das anders: In Erwartung eines rot-grünen Bündnisses trat Bürgermeister Henning Voscherau 1997 noch am Wahlabend zurück, nicht ohne der Hansestadt „viel Glück“ zu wünschen: „Sie wird es brauchen.“ 2008 blickte die Republik wieder aufgeregt nach Hamburg: Damals trafen sich Union und Grüne zu Koalitionsverhandlungen, um das erste Bündnis seiner Art auf Landesebene zu schmieden.
Beides zeigt, wie sehr sich die einst grün-alternative Liste gehäutet hat. Auf dem Weg zur Regierungspartei ging nicht nur der linke Flügel zum „Regenbogen“, sondern auch viel radikale Programmatik verloren. Heute präsentieren sich die Grünen pragmatisch. Die großen Streitthemen mit der SPD sind überwunden oder stehen nicht auf der Tagesordnung: Die Elbvertiefung ist parlamentarisch beschlossen und liegt nun vor Gericht. Olympische Spiele werden die Grünen nicht verhindern wollen – laut Umfragen sind selbst ihre Anhänger mit großer Mehrheit dafür. In der Verkehrspolitik wird man jenseits von Busbeschleunigung und Stadtbahn eine Lösung finden. Und auf Nebenkriegsschauplätzen wie dem Umgang mit den Lampedusa-Flüchtlingen wird ein Bündnis nicht scheitern.
Die Verlockungen der Macht sind für die Grünen größer als die Bereitschaft, die Verhandlungen platzen zu lassen. Ein sozialliberales Bündnis ist zwar unwahrscheinlich, als Drohkulisse aber präsent, heute und in den kommenden fünf Jahren. Die FDP wünscht sich nichts sehnsüchtiger als einen Anruf von Olaf Scholz, die Grünen fürchten nichts mehr, als in einer Vier-Parteien-Opposition unterzugehen. Die Koalitionsverhandlungen versprechen ein bisschen Theaterdonner – und dann kommt Rot-Grün.