Keine Ausreden mehr – die neue Führung des HSV hat Ruhe in den Club gebracht, beim Rückrundenstart zählt nur die sportliche Leistung

Es ist angerichtet. Mit einem etwas in die Jahre gekommenen Hoffnungsträger Ivica Olic startet der HSV in die Rückrunde. Gut möglich, dass bis zum Ende der Transferperiode am Montag um zwölf Uhr weitere Verstärkung kommt. Eines hat der Club aber jetzt bereits: Ruhe in den eigenen Reihen! Das ist etwas elementar Wichtiges, das seit Jahren vermisst wurde. Die Mitgliederversammlung am Sonntag hat zumindest oberflächlich bestätigt, dass in Zukunft wieder gemeinsam versucht wird, den Verein zu neuem Leben zu erwecken. Keine Intrigen mehr, keine Grabenkämpfe, keine schlitzohrigen Tricks – jetzt soll nur noch an einem Strang gezogen werden. Wohltuend war in diesem Zusammenhang, dass die „Herren von gestern“ künftig keine Rolle mehr im HSV spielen werden – oder nur noch eine Nebenrolle.

Aufgeben aber wird wohl niemand von den entmachteten Verlierern, denn sie hatten ja seit Einführung der HSV AG im Sommer 2014 stets im Untergrund für ihre Vorstellungen gekämpft. Die Einhelligkeit aber, mit der sie abgelehnt und abgewählt wurden, die müsste dann vielleicht doch einmal zu denken geben. Es scheint eine andere HSV-Zeit angebrochen zu sein. Einige Mitglieder und Fans hatten bereits vorher die Entscheidung getroffen, einen neuen Club zu gründen: HFC Falke. Wer jetzt noch immer „seinen“ HSV sucht, der so zu funktionieren hat, wie er es bestimmen will, der sollte entweder den Abflug zu den Falken wagen oder selbst einen Verein anmelden.

Im neuen HSV unter Beiersdorfer, Knäbel, Peters und Co. scheint es jedenfalls so zu sein, dass die Herren, die nun die Verantwortung tragen, nur dem Club dienen – statt ihn total umkrempeln zu wollen. Diese Führung will, wie die große Mehrheit der Mitglieder und Fans, wieder einen HSV auf die Beine stellen, der professionell funktioniert, der nicht über seine Verhältnisse lebt, der vor allen Dingen fußballerisch zu überzeugen versteht und versucht, so an die großen Erfolge von einst anzuknüpfen.

Die Weichen sind seit dem vergangenen Sonntag gestellt. Kein Profi wird sich nun noch über Unruhe im Club beklagen können, nichts Vereinsinternes dürfte jetzt noch eine Ausrede für ein Versagen in einem Bundesligaspiel dienen. An diesem Sonnabend, keine Frage, ist die sportliche Seite des HSV am Zuge. Gegen den nur zwei Punkte besser platzierten 1. FC Köln (19 Zähler) sollte die junge HSV-Mannschaft ein deutliches Zeichen setzen, wie sie es im kommenden halben Jahr bis zum Klassenerhalt richten will: Mit Herz, Leidenschaft, einem starken Willen und als echte, charakterstarke Einheit zum Erfolg. Versprochen wurde in der Vergangenheit viel, 2015 sollten endlich Taten folgen. Der neue HSV hätte es verdient.

Dass die Verletztenmisere nicht gerade für Optimismus sorgt, sollte zwar registriert werden, aber nicht mutlos machen. Natürlich fehlen mit Diekmeier, Behrami, Holtby und Cleber wichtige Spieler, zudem gibt es viele angeschlagene Profis, von denen einige im Trainingslager nicht mit den Kollegen trainieren konnten.

Aber es gibt Hoffnung. Erstens steht beim HSV mit Trainer Joe Zinnbauer ein Mann an der Seite, der brennt, der alles gibt für sein Team. Und zweitens kann der Coach dabei auf seinen bereits erprobten „Kindergarten“ setzen. Mit Tolcay Cigerci, Ashton Götz, Mohamed Gouaida, Ronny Marcos und Matti Steinmann haben in der Hinrunde bereits fünf U23-Spieler debütiert. Es war kein „Überflieger“ dabei, der den Gegner in Grund und Boden gespielt hat, aber immerhin bringt es der HSV bislang auf die viertbeste Abwehr (erst 19 Gegentreffer) der Liga. Nur Bayern (vier), Mönchengladbach (16) und Wolfsburg (17) sind besser.

Das zeigt, dass es gelegentlich nicht nur ohne die „Stars“ geht, sondern dass junge, hungrige Spieler durchaus gute Leistungen bringen können. Vielleicht schon morgen wieder gegen Köln. Und vielleicht geschieht in Sachen Neun-Törchen-Angriff ja doch noch über Nacht ein kleines HSV-Wunder. Mit dem Transfer von Ivica Olic wurde ein erster Schritt vollzogen.