Unzufriedenheit verschwindet nicht per Verordnung
Die Furcht der Pegida-Demonstranten vor einer Islamisierung Europas mag grotesk erscheinen. Nicht weniger skurril sind zum Teil aber auch die Debatten, die in der Bundesrepublik seit dem Aufkommen des Phänomens in Dresden und den Anschlägen von Paris geführt werden. Die Exegese des Satzes, auch der Islam gehöre zu Deutschland, bindet seit der Neujahresansprache der Kanzlerin wieder allerhand intellektuelle Kraft. Und weil er so allgemein und undefiniert daherkommt, kann die Debatte endlos weitergeführt werden. Die Behauptung, der Islamismus habe nichts mit dem Islam zu tun, ist mittlerweile wegen offensichtlicher Unsinnigkeit auf dem Rückzug. Nun gibt es noch die Vertreter, die meinen, Pegida gehöre nicht zu Deutschland. Wozu aber sonst?
Ein Problem schafft man nicht mit dessen Negierung aus der Welt, nicht mit zur Schau getragener professioneller Empörung und begleitendem Vokabular aus der Bibliothek der politischen Korrektheit. Diese Reflexe greifen immer dann, wenn der gute Ruf des Vaterlandes angeblich in Gefahr ist. Eines Problems muss man sich aber rational annehmen – auch eines teilweise irrationalen. Neben der Furcht vor einer angeblichen Islamisierung treibt in Dresden und anderswo viele Menschen auch die Angst vor Veränderungen oder vor sozialem Abstieg um. Sie hat zudem das Gefühl beschlichen, von Politikern nicht mehr richtig vertreten zu werden.
Wer aber meint, mit den Unzufriedenen auf der Straße müsse man darüber nicht reden, wird das Problem nicht lösen, sondern vergrößern. Zur Demokratie gehören auch Geduld und das Vermögen, komplexe Sachverhalte immer wieder zu erklären und vor scheinbar einfachen Lösungen zu warnen. Die Pegida-Anhänger müssen aus ihrer bequemen Verweigerungshaltung wieder herausgebracht und an die manchmal auch anstrengenden Gestaltungsmöglichkeiten unserer Demokratie herangeführt werden. Das geht aber nur im Dialog. Nicht per Verordnung oder Sprachregelung. Eine Gesellschaft muss manchmal Integrationsleistung an Stellen aufbringen, an denen sie sie nicht vermutet hat oder die ihr gar peinlich sind.