Die Handelskammer feiert ihren 350. Geburtstag – für die Stadt eine Erfolgsgeschichte
Manchmal hilft der Blick zurück, um klarer in die Zukunft schauen zu können. Als die Handelskammer am 19. Januar 1665 als „Commerzdeputation“ gründet wurde, war Europa das Herz der Finsternis. Die Verheerungen des 30-jährigen Krieges lagen erst 17 Jahre zurück, Niedergang oder Stagnation prägten die Zeit. Im selben Jahr wütete in London die Pest mit 100.000 Toten, auf der Nordsee bekriegten sich die niederländische und die englische Flotte. Immer wieder wurden Hamburger Schiffe Opfer der Piraterie. Die Gründung der „Commerzdeputation“ war damals Hilfe zur Selbsthilfe – sie sollte endlich den Handel sichern und „Drangsahl und Beschwerden“ beim Hamburger Rat vortragen. Mit diesem Schritt selbstbewusster Kaufleute begann der Aufstieg der Freien und Hansestadt Hamburg.
So spricht aus den weihevollen Grußworten von Bürgermeister Olaf Scholz bis zu Bundespräsident Joachim Gauck nicht nur höflicher Respekt, sondern auch Anerkennung und Lob für das Wirken der Hamburger Handelskammer. Gerade die Hamburger Sozialdemokratie hat es in ihrer Geschichte immer verstanden, nicht gegen die Kaufmannschaft, sondern gemeinsam mit ihr Politik zu machen. Das ging so weit, dass die Hamburger SPD nach den ersten allgemeinen, freien und gleichen Wahlen 1919 trotz eigener Mehrheit auf den Posten des Ersten Bürgermeisters verzichtete. Bis heute hält die enge Verbindung zwischen Kaufleuten und Arbeiterklasse. Altkanzler Helmut Schmidt sprach von der „Synthese aus Buddenbrook und Bebel“, einem Amalgam, das Hamburg und seinen Geist geprägt habe. Dieses Bündnis hat beiden genutzt – bis heute: Kaum eine Stadt ist in Europa wirtschaftlich so erfolgreich wie Hamburg; und in keinem anderen Bundesland regiert die SPD mit einer absoluten Mehrheit.
Kritik an diesem überraschenden wie oft engen Bündnis kann da nicht verwundern – gerade in den vergangenen Monaten bläst der Kammer der Wind ins Gesicht. Sogenannte Rebellen opponieren gegen gewachsene Strukturen, erst am Montag kündigte der Chaos Computer Club Klage gegen die Kammer an, weil sie das Transparenzgesetz unzureichend umsetze. Allerdings ist diese Kammerkritik mitunter sehr grün gefärbt – oft gerät die Kammer in parteipolitische Profilierungsversuche. Mit ihrer konservativen Struktur – Frauen etwa dürfen erst seit 25 Jahren ins Plenum einziehen – macht die Handelskammer es ihren Gegnern leicht. Und mit der Tradition einer 350-jährigen Geschichte fällt es schwerer, auf Forderungen nach Offenheit schnell und souverän zu reagieren.
Allerdings können diese Tagesstreitigkeiten die Erfolgsbilanz für die Stadt nicht schmälern. Die Handelskammer stand schon für eine „Willkommenskultur“, als Internationalisierung ein unbekanntes Wort war: Viele Kaufleute mit Wurzeln im Ausland, ob Godeffroy, Amsinck oder Sloman, wurden in Stadt und Kammer heimisch. Offenheit beschränkte sich nicht allein auf den Handel, sie war Geisteshaltung. Das gilt bis heute: Die Olympiabewerbung, die derzeit in der Stadt mit wachsender Begeisterung diskutiert wird, geht ebenfalls auf die Handelskammer zurück. Als das olympische Feuer in der Hansestadt schon zu verlöschen schien, kämpfte die Kammer unbeirrt weiter für die Idee.
Weniger Schlagzeilen erntet sie für ihr Engagement für Unternehmensgründer, den Tourismus oder im „Bündnis für den Mittelstand“ – wertvoll für die Stadt ist es gleichwohl.
Die Handelskammer, so sagte Präses Melsheimer in seiner Festrede, habe neun Staatsformen, sieben Kriege und zehn Währungen überlebt. Diese Liste darf keiner weiterführen wollen. Trotzdem sollten alle Hamburger der Kammer noch viele runde Geburtstage wünschen – im ureigenen Interesse.