Deutliches Misstrauensvotum gegen den Euro
Man sagt den Schweizern nach, eher langmütig, besonnen und langsam auf die Weltläufte zu reagieren. Gestern aber war es mit Langmut, Besonnenheit und Langsamkeit vorbei: Die Entscheidung der Schweizer Nationalbank, den 2011 eingeführten Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken aufzugeben, hat ein Erdbeben ausgelöst. Schweizer Unternehmer sprechen von einem „Tsunami“, die Gewerkschaften fürchten massiv um Beschäftigung und Löhne, Analysten nannten den überraschenden Schritt den „Schweiz-Schocker“. Die Märkte reagierten sofort – der Euro verlor dramatisch, die Schweizer Börse brach ein, der DAX ging auf Achterbahnfahrt. Tatsächlich sind die Auswirkungen enorm: Für Schweizer Exporteure und den Tourismus brechen schwere Zeiten an – die Entscheidung macht Schweizer Produkte über Nacht um rund 15 Prozent teurer. Und das könnte erst der Anfang der Aufwertung sein. Doch der Schweizer Notenbank blieb zuletzt nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: Der Mindestkurs wurde immer teurer, politisch wie wirtschaftlich: Die Schweizer banden sich auf Gedeih und Verderb an die Politik der Frankfurter Währungshüter und blähten ihre Bilanzsumme auf 525 Milliarden Franken auf. Schätzungen zufolge war fast die Hälfte der Devisenreserven in Euro angelegt. Der gestrige Kursverlust hat die Schweizer damit Milliarden gekostet.
Warum die Nationalbank dennoch dieses Risiko eingeht, zeigt den Vertrauensverlust in die Politik der Europäischen Zentralbank. Gemäß dem Motto, lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, beendet die Notenbank ihren Kampf um den Mindestkurs. Sie ist offenbar der festen Überzeugung, dass der Euro weiter deutlich abwerten wird. Der Zeitpunkt für die Entscheidung ist ein deutlicher Wink: Gestern hat der Europäische Gerichtshof große Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank im Prinzip gutgeheißen. Schon in der kommenden Woche könnten die massiven Anleihenkäufe beginnen und damit den Euro weiter schwächen.
Für die Schweizer Wirtschaft war dieser Donnerstag kein guter Tag. Für die deutsche allerdings auch nicht.