Der HSV bräuchte dringend Verstärkung für die Offensive, doch Stürmer in dieser Transferperiode zu finden ist schwer

Sie wollte es in Gold auf Altäre schreiben, sie wollte es an jede U-Bahn malen und auch in Birkenrinden einkratzen, sie sang 1982 auch: „Ich sprüh’s auf jede Häuserwand – neue Männer braucht das Land.“ Ina Deters Hit von damals ist zeitlos. Besonders dann, wenn es um neue Männer für die Bundesliga geht. Und ganz speziell um Zugänge für den HSV. Da allerdings müsste es in diesem Winter heißen: „Neue Stürmer braucht der Club!“ Und der weiß das selbst sehr genau. Ohne neue Angreifer könnte die Rückrunde der Saison 2014/15 in einem neuerlichen Fiasko enden. Deshalb gilt dringender als je zuvor: Der „Neun-Törchen-HSV“ benötigt Angreifer, um nicht abzusteigen. Doch woher nehmen, diese Retter?

Dass der HSV etwas tun muss, das wissen die Herren in der Führung schon seit geraumer Zeit: Nur neun eigene Treffer, darunter zwei Elfmeter und ein Eigentor. Da läuten bei jedem die Alarmglocken. Und es soll ja auch etwas getan werden, sogar Geld stünde zur Verfügung, oh Wunder! Dennoch wird es nicht leicht, denn der HSV ist beim Thema Wintertransfers ein gebranntes Kind.

Frühjahrseinkäufe aus der Not heraus waren schon immer ein heikles Thema, nicht nur für die Rothosen. Erstens gibt kein Verein der Welt einen Spieler von höchster Qualität gerne ab, zweitens sind diese Profis oft überteuert, und drittens zeichnen sich diese abgegebenen oder abgeschobenen Spieler nicht selten durch kleinere charakterliche Schwächen aus.

Der HSV kennt die Vor- und Nachteile solcher winterlichen Verpflichtungen. Im vergangenen Frühjahr wurden auf Empfehlung des damaligen Trainers Bert van Marwijk zwei Offensivkräfte ausgeliehen, die zwar von großen Vereinen kamen, die aber in Hamburg nie wirklich angekommen sind: Ola John (Benfica Lissabon) und Quasim Bouy (Juventus Turin) blieben absolute Fremdkörper und halfen dem HSV nicht in einem Spiel.

In den drei Jahren zuvor hatte der HSV wohlweißlich auf jegliche Wintereinkäufe verzichtet, im Frühjahr 2010 kam lediglich Ruud van Nistelrooy neu. Im Winter 2009 dagegen schlugen Trainer Martin Jol und der damalige Sportchef Dietmar Beiersdorfer besonders zu: Khalid Sinouh, Michael Gravgaard, Mickael Tavares, Albert Streit, Marcel Ndjeng und Tomas Rincon wurden geholt, teilweise ausgeliehen. Namen sind Schall und Rauch, aber wer erinnert sich noch wirklich an den einen oder anderen „Star“, der dann beim HSV unterging?

Die beiden besten Wintereinkäufe aller HSV-Zeiten gab es im Frühjahr 2007: Frank Rost und Ivica Olic retteten nicht nur den HSV (gemeinsam mit Trainer Huub Stevens), sondern führten ihn noch vom letzten Tabellenplatz in die Europa League.

Neben Rost und Olic kam auch Mathias Abel nach Hamburg, aber er blieb nur ein Mitläufer. Ein Jahr zuvor leistete sich der HSV Nigel de Jong und Ailton (!), 2005 kam Piotr Trochowski vom FC Bayern und wurde beim HSV Nationalspieler. Und wer erinnert sich noch an Vjatscheslaw Hleb und Tom Starke, die im Frühjahr 2004 kamen?

Von Jubilo Iwata wurde im Winter 2003 Naohiro Takahara verpflichtet; der Japaner brachte es danach in 97 Bundesligaspielen für den HSV auf 13 Treffer. 2002 kam Raphael Wicky, und zur Halbzeit der Saison 2000/01 wurde lediglich das Eigengewächs Mahmut Yilmaz mit einem Vertrag ausgestattet.

Quintessenz: Bis auf Rost und Olic, mit Abstrichen auch de Jong und van Nistelrooy, war in diesem Jahrtausend auf Anhieb keine wirkliche Soforthilfe dabei. Das nämlich ist die große Fußballkunst, aus dem oftmals nur dürftigen Winterangebot den passenden Mann zu finden. Wenn es aber, und das stimmt mich nun doch zuversichtlich, einer HSV-Führung gelingen wird, dann der jetzigen. Mit Beiersdorfer, Peter Knäbel, Bernhard Peters und Thomas von Heesen sitzen jetzt Experten im Volkspark, die genau wissen, was zu tun ist – und was nicht: Der HSV benötigt im Frühjahr 2015 nur Stürmer von bester Qualität – das Prädikat „neu“ allein ist nicht ausreichend.

Die HSV-Kolumne „Matz ab“ finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab