Hamburgs Haushalt 2015/2016 ist solide, setzt aber keine neuen Schwerpunkte
Exakt eine Woche vor Weihnachten hat sich die Hamburger Politik selbst das schönste Geschenk gemacht: Mit der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2015/2016 hat sie ein Thema abgeräumt, das Abgeordnete, Senatsmitglieder und Behördenmitarbeiter seit Monaten, teilweise sogar seit Jahren, an den Rand der Verzweiflung getrieben hat. Denn nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde der fast 5000 Seiten und Ausgaben von 13 Milliarden Euro umfassende Etat der Stadt auf ein kaufmännisches Haushaltswesen umgestellt, mit dem die Stadt nun ähnlich wie ein Unternehmen gesteuert werden kann.
Was im Prinzip gut und richtig und daher relativ unumstritten ist, weil es die wahre Lage der Stadt transparenter macht, hat sich im Detail als so kompliziert herausgestellt, dass es eine der ältesten Fragen der Hamburger Politik wieder aufwirft – die des Feierabendparlaments. Ist es für die zumeist berufstätigen Abgeordneten ohnehin extrem anspruchsvoll, nach getaner Arbeit in der Freizeit einen professionell aufgestellten Senat zu kontrollieren, wird das mit einem Haushalt, den selbst Experten kaum durchschauen, nahezu unmöglich. Eine abschließende Aussage lässt sich darüber naturgemäß erst in ein, zwei Jahren treffen. Aber wenn sich herausstellen sollte, dass das Parlament mit seiner verfassungsmäßigen Aufgabe überfordert ist, muss nachgebessert werden – ein wissenschaftlicher Dienst, der den Abgeordneten zuarbeitet, könnte schon helfen.
Bei aller Verwirrung sind die groben Linien dieses Haushalts aber doch klar genug, um daraus einige Schlüsse zu ziehen. Im Prinzip handelt es sich um ein in Zahlen gegossenes „Weiter so“. Protest herausfordernde Kürzungen gibt es ebenso wenig wie Aufsehen erregende Ausgabesteigerungen. Das hat Methode und folgt der tiefen Überzeugung von Bürgermeister Olaf Scholz, dass die Bürger ein unstetes Auf und Ab nicht schätzen – wobei die Umfragewerte ihm recht geben.
Allerdings offenbart diese Konsequenz auch die Schwäche der Senatspolitik. Entgegen anderer Behauptungen hat Scholz zwar mit Amtsantritt einen klaren Schwerpunkt bei der Bildung gesetzt, der sich bis heute in den Ausgaben niederschlägt: Die Kita-Gebühren wurden erst gesenkt und dann abgeschafft, mit der GBS eine flächendeckende und noch dazu für die Eltern kostenlose Nachmittagsbetreuung an den Grundschulen aufgebaut, die Stadtteilschule wurde als zweite Säule neben dem Gymnasium etabliert, neue Jugendberufsagenturen helfen beim Übergang von Schule in den Beruf, und das Studium in Hamburg ist seit 2012 auch wieder gebührenfrei. Das alles zusammen kostet Hunderte Millionen Euro im Jahr, und der Senat darf sich durchaus dafür auf die Schulter klopfen, dass er es trotzdem geschafft hat, schon 2014 keine Schulden mehr zu machen.
Das ur-sozialdemokratische Prinzip des kostenfreien Zugangs zu Bildung hat aber leider allzu oft den Blick für die Qualität verstellt. Masse hat zu oft über Klasse gesiegt. So hat der Ansturm auf die Kitas viele Einrichtungen überfordert, die Nachmittagsbetreuung an den Grundschulen erreicht nicht die Qualität der Horte, die dafür abgeschafft wurden, Stadtteilschüler hinken leistungsmäßig den Gymnasiasten weit hinterher, und in einigen Hochschulbereichen sind die Studienbedingungen einer reichen Stadt wie Hamburg nicht würdig.
Der Haushalt 2015/2016 wäre nun für die SPD die Gelegenheit gewesen, einen neuen Schwerpunkt im Bereich Bildungsqualität zu setzen. Doch diese Chance wurde verpasst. Einzig bei der Betreuungsqualität in den Kitas haben die Sozialdemokraten im allerletzten Moment doch noch auf die massiven Proteste reagiert – wobei Hamburg selbst nach dieser Verbesserung im Ländervergleich nur Mittelmaß wäre. Unterm Strich gilt für diesen Haushalt: solide, aber wenig ambitioniert.