Der russische Präsident hat alle Lösungschancen vertan – damit wird der Kalte Krieger Wladimir Putin immer mehr zur Gefahr für die Welt
Es gibt Anlass, sich Sorgen zu machen um den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Seine vorzeitige Abreise am Sonntag vom G-20-Gipfel im australischen Brisbane gleicht der Reaktion eines trotzigen Kindes; und der Umstand, dass der Kremlchef sich zu dieser Konferenz von einer Schar russischer Kriegsschiffe hat begleiten lassen, ist eine ähnlich infantile Geste.
Nun ist Wladimir Putin nicht der Hausmeister einer Grundschule in Krasnojarsk, sondern Herr über das größte Atomwaffenarsenal dieses Planeten. Derartig unreife Gesten sind eines so mächtigen Mannes unwürdig; zugleich aber sind sie gefährlich, auch, weil er eine große Chance auf eine Deeskalierung einfach verworfen hat.
Putin wurmt, dass er den anderen politischen Führern seine sehr spezielle Sicht der Vorgänge um die Ukraine nicht einfach oktroyieren konnte, wie er dies daheim mit seinem Volk tut. Immer stärker wird deutlich, wie recht Angela Merkel hatte, als sie bei Ausbruch der Ukraine-Krise sinngemäß erklärte, Putin lebe in einer eigenen Welt.
Seine in Brisbane wiederholte Dauerbegründung für die russische Militärintervention in der Ostukraine – die ukrainische Regierung habe die feste Absicht, ihre sämtlichen politischen Gegner vernichten zu wollen und müsse daher von Moskau aufgehalten werden – wurden schon durch die Wahlen in der Ukraine, bei der die militanten Rechts-Nationalisten durch den Rost fielen, ad absurdum geführt. Der neue Zar wirkt immer stärker wie ein Getriebener, dem die Kontrolle über die von ihm ausgelösten Prozesse allmählich zu entgleiten droht.
Putin ist jener Mann, der noch nach der russischen Intervention im von Georgien vom Zaun gebrochenen Kaukasus-Krieg 2008 erklärt hatte, einen russischen Griff nach der Ukraine werde es keinesfalls geben, da dort alle Grenzen geklärt seien und die Vorgänge in der Krim ohnehin ein rein innerukrainisches Problem seien. Wenige Jahre später brach Putin dann eiskalt sowohl internationales Recht als auch eindeutige russisch-ukrainische Verträge. Das große Problem für den Westen ist nun, mit einem Mann die Ukraine-Krise entschärfen zu wollen, der Absprachen und Verträge nur solange respektiert, wie sie seinen nationalistischen Absichten dienlich sind.
Die martialischen Gesten Moskaus wie die russischen Bomberflüge direkt an den Nato-Grenzen entlang offenbaren die Mentalität eines Angstbeißers. Russlands Großmachtambitionen stehen auf tönernen Füßen; es läuft aufgrund falscher politischer Prioritäten Gefahr, von der Zukunft abgekoppelt und zu einer Rohstoffdeponie zu werden. Doch gerade das macht das nationalistische Regime im Kreml so gefährlich. Bereits vor der Annektierung der Krim hatte sich abgezeichnet, dass sich die ehemals dynamische russische Wirtschaft im Sinkflug befindet. Die Sanktionen zulasten Russlands tun ihr Übriges.
Mehr noch als eine Drohgebärde nach außen ist das militärische Gefuchtel jedoch ein Signal nach innen, mit dem sich der Autokrat im Kreml weiterhin als eiserner und alternativloser Führer empfehlen will. Russland, das von der Willkür der Zaren über die Sowjettyrannen nach 1990 in den gierigen Griff der Oligarchen geraten war, hatte nie eine Chance, eine ausgereifte Zivilgesellschaft zu entwickeln. Und Wladimir Putin hat die Chance verpasst, Pluralismus, Medienfreiheit und echte Demokratie aufzubauen. Statt dessen hat er einen brandgefährlichen Nationalismus geschürt und zu diesem Zweck leider auch die orthodoxe Kirche eingespannt. Putin hat innen- wie außenpolitisch alle Weichen für einen neuen Kalten Krieg gestellt.