Die Stadtteilschulen zu stärken ist das richtige Ziel. Aber es mangelt an der Umsetzung

Die Hamburger Schulen, Schüler, Eltern und Lehrer sind von der großen Debatte über die Schulstruktur verschont geblieben. Die wahlberechtigten Bürger haben der Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren am Gymnasium beim Volksbegehren bekanntlich eine deutliche Absage erteilt. Ein Ja zu G9 hätte die Gewichte im Zwei-Säulen-Modell dramatisch zulasten der Stadtteilschulen verschoben.

Doch das berechtigte Aufatmen über das Votum der Hamburger darf die Politiker nicht zu Tatenlosigkeit verleiten. Insofern liegt Schulsenator Ties Rabe (SPD) richtig, wenn er sich jetzt vornimmt, den Unterricht an den Stadtteilschulen zu verbessern. Diese Schulform bleibt das Sorgenkind der Schulpolitik. Präziser ausgedrückt: Sehr ernsthafte Sorgen bereitet ein Teil der gut 50 Standorte – und zwar vor allem jene, die noch vor ein paar Jahren Haupt- und Realschulen waren und jetzt vor einer Herkulesaufgabe stehen: Während die Schulzeit dort früher nach der zehnten Klassen endete, sollen die Schulen jetzt Oberstufen aufbauen.

Leistungsvergleiche zwischen Abiturienten an Gymnasien und Stadtteilschulen haben ergeben, dass Letztere vor allem in der Mittelstufe zu wenig lernen. Den dort erworbenen Vorsprung der gymnasialen Konkurrenz können Stadtteilschüler vor allem in Mathematik und den Naturwissenschaften, aber auch in Deutsch bis zum Abitur nicht mehr aufholen.

Und mehr noch: Es spricht einiges dafür, dass die Lehrer an den Stadtteilschulen ihre Schüler in der Oberstufe zu gut zensieren. Jedenfalls gibt es eine auffällige Lücke zwischen den (eher besseren) Vorzensuren – gerade im Fach Mathematik – und den (eher schlechteren) Ergebnissen der Abitur-Klausuren, deren Aufgaben für Gymnasiasten und Stadtteilschüler gleich sind. Ein Notenbonus für Stadtteilschüler, sollte es ihn in dieser Form wirklich geben, wäre nichts anderes als Wettbewerbsverzerrung. In jedem Fall ist das ein Hinweis auf vorhandene Lernrückstände, die am Tag der Wahrheit – eben der Abiturprüfung – unschön zutage treten.

Wer will, dass die Stadtteilschulen dauerhaft eine ernst zu nehmende und auch für leistungsorientierte Eltern attraktive Alternative zum Publikumsliebling Gymnasium werden, der muss jene Schulform stärken. Rabe benennt die Probleme, er macht richtige Vorschläge zu deren Lösung, aber er geht die Umsetzung nicht beherzt an. Und das ist sehr ärgerlich.

Man mag es kaum glauben, aber es ist so: Jede sechste Mathematikstunde in den Klassenstufen fünf bis zehn wird an der Stadtteilschule von einem Lehrer erteilt, der Mathematik gar nicht studiert hat. Moderne Erkenntnisse der Bildungsforschung bestätigen, was viele Eltern intuitiv wissen: Fachunterricht von einem Fachlehrer ist besser als von einem fachfremden. Je höher die Klassenstufe, desto wichtiger wird diese Erkenntnis.

Rabe will nun erreichen, dass der Mathe-Unterricht grundsätzlich von Fachlehrern gegeben wird. Aber das ist nicht viel mehr als eine Absichtserklärung. Genauso wie der Vorschlag, den Anteil der Gymnasiallehrer an Stadtteilschulen von jetzt durchschnittlich 40 Prozent „deutlich in Richtung 50 Prozent“ zu erhöhen. Ja, das Ziel ist richtig, weil die Schüler profitieren werden, deren Perspektive das Abitur ist. Was fehlt, ist ein Fahrplan zur Umsetzung.

Rabe will die Vorschläge mit Wissenschaftlern und Experten diskutieren und vom nächsten Schuljahr an realisieren. Das legt die Vermutung nahe, dass der Senator erst einmal die Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015 abwarten will. Dabei kann man sich ja auch mit einem viel konkreteren Plan zur Wahl stellen: So könnten zum Beispiel die 20 Prozent der Stadtteilschulen identifiziert werden, die die geringste Mathelehrer- und Gymnasiallehrerquote haben, um mit den Hilfen dort schnell zu starten.