Die drohende Staatspleite von Argentinien mag weit weg sein – sie geht aber alle an: Dort spielen Hedgefonds russisches Roulette
Auf Kommunisten ist auch kein Verlass mehr. Wenn man sie einmal braucht, bleiben sie stumm. So weltfremd die Ableitungen der Herren Marx, Engels und Lenin stets waren, als Kapitalismusbändiger funktionierte der real existierende Sozialismus. Die Angst vor den Kommunisten schuf in Westdeutschland den gemütlichen rheinischen Kapitalismus, die soziale Marktwirtschaft. Und in jeder Debatte gab es zur These auch eine Antithese.
Heute wird nicht mehr groß diskutiert – und die gefährlichsten Gegner des Kapitalismus sind längst nicht mehr vollbärtige Revoluzzer, sondern aggressive Hedgefonds der Wall Street. Ausgerechnet die Nutznießer der freien Märkte ruinieren die Märkte und mit ihnen das Vertrauen in die Marktwirtschaft. 1998 hätte es der Hedgefonds Long-Term Capital Management fast geschafft, das weltweite Finanzsystem durch Zinsspekulationen zu schreddern – nur durch eine Rettungsaktion der US-Notenbank und großer Finanzinstitute konnte der GAU verhindert werden. In der großen Finanzkrise der Jahre 2007 bis 2009 wirkten Hedgefonds, zurückhaltend formuliert, wie Brandbeschleuniger. Und nun zeichnet sich eine neue Krise ab, die von dem Fonds NML Capital ausgebrütet wurde.
Dabei geht es um Argentinien. Dem Land droht wieder einmal – Griechenland lässt grüßen – die Staatspleite. Schuld daran sind ausnahmsweise nicht die Argentinier selbst, deren Regierungen in den vergangenen Jahrzehnten zugegebenermaßen kaum einen Fehler ausgelassen haben und die über ihre Verhältnisse gelebt haben. Schuld sind dieses Mal gierige Geierfonds und ein 84-jähriger Richter. Argentinien will den Gläubigern die Zinsen pünktlich zahlen, doch es darf nicht. Denn ein US-Gericht verurteilte das Land, zuerst gierige Geierfonds zu bedienen.
Der Hedgefonds NML Capital bezahlte im Jahr 2008 für Argentinien-Anleihen 48 Mio. Dollar und möchte nun 832 Mio. Dollar zurück bekommen – eine Rendite von 1633 Prozent. NML weigert sich, einen mit einer 92-Prozent-Mehrheit der Gläubiger ausgehandelten Schuldenschnitt zu akzeptieren. Die vernünftigen Gläubiger hatten 2005 und 2010 den Forderungsverzicht akzeptiert, um Argentinien die Chance zu geben, auf die Beine zu kommen. Lieber auf Rendite verzichten als gar nichts zu bekommen, dachten sich die meisten Gläubiger. Eine tote Kuh gibt keine Milch. NML und ein weiterer Geierfonds namens Aurelius aber ticken anders. Sie wollen die Kuh schlachten und ganz für sich: Sie kauften die Anleihen in der Krise billig ein und fordern nun das ganze Geld inklusive der Zinsen der Vergangenheit. Mit Erfolg: Ein US-Gericht ordnete an, Argentinien müsse erst die beiden Hedgefonds auszahlen, ehe es die Forderungen der anderen Gläubiger begleichen darf. Ein irres Urteil. Dass der Richter Thomas Griesa ein rechter Haudegen im Alter von 84 Jahren ist, ernannt noch von Nixon und von der Materie offensichtlich überfordert, spielte keine Rolle.
Für Argentinien schon – das Land durchlitt eine brutale Krise nach dem Zahlungsausfall 2001. Die Banken verbarrikadierten ihre Türen, die Märkte brachen zusammen. Es gab Plünderungen, die Kriminalität stieg explosionsartig an, Demonstrationen gipfelten in Gewalt, 28 Menschen starben, die Armutsquote vervierfachte sich. Das Land stand am Abgrund, doch es fing sich – nicht zuletzt dank des Schuldenschnitts. Sollten sich die Geierfonds durchsetzen, droht eine Neuauflage der Krise der Jahrtausendwende. Denn die Bedingungen zur Schuldenrestrukturierung sahen vor, dass alle Gläubiger gleich behandelt werden. Siegen die Gierigen, müsste umgerechnet jeder Argentinier rund 3500 Dollar zahlen, „und das alles, um die Taschen einiger Milliardäre zu füllen, die darauf aus sind, das Land auszupressen“. Das sagt kein Kommunist, sondern der Nobelpreisträger für Wirtschaft, Joseph Stiglitz. Er wirft Richter Griesa vor, eine „Bombe“ ins Weltwirtschaftssystem zu werfen.
Argentinien kämpft mit dem Mut der Verzweiflung gegen die Staatspleite und will die Zahlungen nun über seine Nationalbank abwickeln. Griesa nennt auch das „illegal“. Man mag von Präsidentin Kirchner wenig halten, man kann mit guten Gründen die Politik des Landes kritisieren – in diesem Konflikt aber haben sie Solidarität verdient. Wenn Hedgefonds nicht nur zocken, sondern auch noch die Spielregeln im Casino bestimmen, kommt nicht nur die nächste Finanzkrise bestimmt. Am Ende ersteht auch noch der tote unselige Kommunismus wiederauf.