Waffenlieferungen in den Irak bergen neue Gefahren
Es gibt Situationen, in denen nur noch ein schneller bewaffneter Einsatz Menschenleben retten kann. Die Lage im Nordirak, wo Zehntausende Jesiden vom Tod durch Verdursten, Verhungern oder durch direkte Massaker der islamistischen Terrortruppe IS bedroht sind, ist ein bitteres aktuelles Beispiel dafür. US-Präsident Obama sieht sich gezwungen, Luftangriffe in einem Land zu befehlen, das er eigentlich schon einmal für befriedet erklärt hatte, und Militärberater und Waffen zu schicken. Auch in der Bundesregierung hat es ein Umdenken gegeben. Bis an die Grenze selbst auferlegter Exportbeschränkungen und dank interpretatorischer Kniffe wohl auch darüber hinaus liefert Berlin militärische Ausrüstung.
Nur eines sollte auch in Anbetracht der akuten Notsituation nicht vergessen werden: Alles in Kriegs- und Krisengebiete gelieferte Militärmaterial ist ein zweischneidiges Schwert, ein Quell neuer Gefahren. Mit den Flugabwehrraketen, die die Amerikaner einst den afghanischen Mudschaheddin für ihren Kampf gegen die Sowjets geliefert haben, wird heute noch auf die internationale Eingreiftruppe am Hindukusch gefeuert. Die Taliban wurden dann vom pakistanischen Geheimdienst im Auftrag Washingtons ausgebildet und ausgerüstet, um dem Land Stabilität zu geben. Ergebnis bekannt. Und selbst die Mordbanden des IS sind indirekt auch vom Westen ausgerüstet: Das moderne Kriegsgerät, das er der desolaten irakischen Armee abnahm, stammt überwiegend aus US-Beständen.
Die kurdischen Peschmerga, jetzt Empfänger westlicher Militärhilfe, sind die Einzigen, die die Jesiden aus ihrer existenzbedrohenden Lage retten können. Sie sind aber auch eine nach politischen Ansichten und Stammeszugehörigkeit in sich zerstrittene Truppe, stets im Streit mit der Zentralregierung in Bagdad und den Nachbarn Türkei und Iran. Mithin kein Garant dafür, geliefertes Schießzeug künftig nur zur Mehrung der Demokratie in der Region und für eine allseitige friedliche Zukunft einzusetzen. Ein wirklich großes internationales Projekt wäre es, künftig Waffen einzusammeln, statt immer mehr in fragwürdige Hände zu geben.