Ein neuer Spionage-Verdacht belastet die Beziehungen
Noch ist es nur ein Verdacht. Doch der ist so ungeheuerlich, dass er die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf eine schlimme Belastungsprobe stellen könnte. Nach der unverfrorenen Abhöraffäre der NSA gegen deutsche Spitzenpolitiker steht nun im Raum, dass US-Dienste sogar Agenten auf den NSA-Untersuchungsausschuss angesetzt haben. Ein 31-jähriger Deutscher wurde festgenommen, der nach ersten Aussagen für die USA spioniert haben will. Es steht zu hoffen, dass er falsche Angaben gemacht hat.
Die transatlantische Beziehungskrise darf sich nicht zuspitzen. Schon jetzt gibt es zwischen Europa und den Vereinigten Staaten viel zu viele Streitpunkte. Sie beginnen im Irak, wo der Krieg des George W. Bush keinen Frieden geschaffen, sondern neues Chaos angerichtet hat. Sie haben die Wirtschaft erfasst, wenn immer mehr europäische Unternehmen über eine Ungleichbehandlung etwas vor US-Gerichten klagen, und sie reichen bis zu grundlegenden Fragen des Datenschutzes oder Freihandels.
Die schleichende Entfremdung zwischen den transatlantischen Partnern schreitet voran – sie begann langsam nach dem Fall der Mauer, als Europa den Schutz der Amerikaner nicht mehr benötigte. Seit dem Aufschwung im Fernen Osten und der Krise in Europa wenden sich die Vereinigten Staaten verstärkt Asien zu. Hinzu kommt gerade in Europa eine enttäuschte Liebe: Den Amtsantritt von Obama nach den schlimmen Bush-Jahren verstanden einige als Heilsversprechen – man denke nur an den verfrühten Friedensnobelpreis 2009 –, Obamas Präsidentschaft konnte angesichts der überhöhten Erwartungen nur enttäuschen. Nun haben die offenbar unter Verfolgungswahn leidenden US-Geheimdienste so viel Porzellan zerschlagen, dass man einander zwar alles zu-, aber überhaupt nicht mehr vertraut.
Deutschland darf ein Signal von Barack Obama verlangen, dass Freundschaft auf Vertrauen beruht – und dass Ausspähen von Freunden alle westlichen Werte verletzt. Zugleich sollten die Europäer ihre Kritik mäßigen – in der Freundschaft zwischen Amerikanern und Europäern ist schon zu viel zu Bruch gegangen.