Großprojekte sind nicht per se gut oder schlecht. Aber Hamburg muss Mut dazu haben

Großstädte sind auch ohne Zutun der Regierenden einem permanenten Wandel unterworfen. Suchten im vorvorigen Jahrhundert noch Millionen Menschen weltweit ihr Glück in den rasant wachsenden Siedlungen, entwickelten sich viele davon im 20. Jahrhundert unkontrolliert zu einem Schmelztiegel voller Kriminalität, Drogen, sozialer und baulicher Probleme. Die „Unregierbarkeit der Städte“ wurde zum geflügelten Wort, und wieder setzten sich Millionen Menschen in Bewegung – nur raus aus dem Moloch. Auch Hamburg verlor in den 60er-, 70er- und 80er Jahren fast 200.000 Bewohner.

Mittlerweile hat sich das Bild ein weiteres Mal gewandelt – Hamburg gehört heute zu den Metropolen, die wieder angesagt sind, die wachsen, die auf viele Menschen Anziehungskraft ausüben. Ohne ins Detail zu gehen, darf man denjenigen, die in den vergangenen Jahrzehnten die Geschicke der Stadt bestimmt haben, attestieren, nicht allzu viel falsch gemacht zu haben. Aufgabe des aktuellen Senats ist es nun, diese positive Ausgangslage nicht nur zu begleiten, sondern aktiv zu steuern und eigene Ziele zu formulieren, wie das Hamburg des 21. Jahrhunderts aussehen soll.

Das Bild der Stadt wird einerseits im Kleinen gemalt, indem etwa die Straßen geflickt werden, im Winter das Eis beseitigt wird und saubere Bahnen pünktlich fahren – Stichwort „ordentlich regieren“. Es wird durch „weiche“ Faktoren bestimmt, etwa durch das Bereitstellen von Kindergartenplätzen für Familien und die Förderung von Kunst und Kultur.

Das Selbstverständnis, auch das Selbstvertrauen, einer Metropole wird jedoch durch nichts so plastisch ausgedrückt wie durch das, was allgemein unter „Großprojekt“ subsumiert wird. München wäre bis heute wohl eine dem Rest der Welt unbekannte Siedlung am Rande der Alpen, wenn die Stadt nicht in den 60er-Jahren den Mut gehabt hätte, sich für die Olympischen Spiele zu bewerben. Von Barcelona würden die meisten von uns ohne die Spiele wohl nur den Fußballclub kennen, und Sydney ist uns nur durch das markanteste Opernhaus der Welt ein Begriff geworden.

Hamburg, das nie eine von Protz und Prunk geprägte Residenzstadt war, sondern eine von Kaufleuten entwickelte Handelsmetropole, hat sich stets schwergetan mit dem einen großen Wurf, der das Gesicht der Stadt verändern könnte. Gut so, möchte man mit Blick auf abstruse Pläne sagen wie dem, ganz St. Georg für eine gigantisches Hochhausviertel plattzumachen. Andere „große“ Entscheidungen der Vergangenheit werden heute mit viel Geld geheilt – zum Beispiel mit einem Deckel über die quer durch die Stadt geschlagene A-7-Trasse. Und die einzige Ausnahme, als sich die Stadt doch einmal mutig und voller Enthusiasmus in ein Großprojekt stürzte – die Elbphilharmonie –, führte in ein finanzielles Desaster und zur Aufnahme in die Liste der Städte, die es nicht können: Berlin, Stuttgart, Hamburg ... So sehr wir darauf hätten verzichten können, so richtig war das Statement: Wir bauen ein spektakuläres Konzerthaus und laden die ganze Welt zum Staunen ein. Die Welt wird kommen, jede Wette.

Nimmt man die eigenen Erfahrungen und die vergleichbarer Städte zusammen, kann für Hamburg nur gelten: Wenn ein „Großprojekt“, sei es eine neue U-Bahn oder die Bewerbung um die Olympischen Spiele, der Stadt wirklich nachhaltig Nutzen bringt und wenn es gleichzeitig von den Bürgern akzeptiert und gewollt ist, dann muss eine Stadt mit bald zwei Millionen Einwohnern die Kraft und den Mut aufbringen, das durchzuziehen.

Wenn dieser Ertrag nicht gewährleistet ist, wenn das Risiko einer Weichenstellung unkalkulierbar ist, dann müssen die Entscheidungsträger auch den „Mut“ zum Verzicht aufbringen. Denn Größe nur um der Größe willen, das ist letztlich Größenwahn.