Rendite – oder raus!: Vorstandschef Kaeser baut Siemens komplett um
Als Joe Kaeser vor neun Monaten den glücklosen Peter Löscher an der Spitze von Siemens ablöste, versprach er den Beschäftigten Ruhe. Dieses Versprechen hat Kaeser bereits gebrochen. Denn mit dem ambitionierten Programm „Vision 2020“ lässt der gebürtige Niederbayer bei Deutschlands größtem Elektronikkonzern nur wenige Steine dort, wo sie sich bisher befanden. Die Vorgabe des langjährigen Siemens-Finanzchefs für alle Einzelbereiche ist unzweideutig: Rendite oder raus! Nicht länger will Kaeser, der bei der Münchner Technologieschmiede seit mehr als 30 Jahren arbeitet, kränkelnde Geschäftszweige durchschleppen. Die weltweit starke Konkurrenz und die wenig kompromissbereiten Aktionäre zwingen ihn praktisch zu diesem Schritt.
Der studierte Betriebswirt setzt alles auf eine Karte: das Energie- und Industriegeschäft. Alle anderen Bereiche dürften künftig unter dem Begriff Randaktivität gefasst werden. Ohne den Abbau von Arbeitsplätzen wird Kaesers Umbau nicht vonstattengehen. Schließlich verschwindet eine komplette Verwaltungsebene. Kaeser wird beweisen müssen, dass der Konzern mit weniger Personal mehr erreichen kann – eine Idealvorstellung, die der Siemens-Chef übrigens nicht als einziger Top-Manager hat.
Mit großer Spannung sollte man die Entwicklung der Energiesparte beobachten. Wohin steuert Siemens in diesem Markt der Zukunft? Werden die Münchner sich noch stärker den regenerativen Energien verschreiben? Oder folgt der Konzern lieber den Profitversprechen der Öl- und Gaslobby? Die Tatsache, dass Siemens die US-Topmanagerin Lisa Davis vom Ölmulti Shell abwirbt und an die Spitze des eigenen Energiebereichs setzt, kann als Richtungsentscheidung verstanden werden. Andererseits spricht nichts gegen eine vernünftige Doppelstrategie. Das Schiefergasgeschäft in den USA birgt für Siemens noch immenses Potenzial. Genauso wie die Windkraft in Deutschland. Deshalb sollte sich der starke Offshore-Bereich von Siemens in Hamburg keine allzu großen Sorgen machen. Windkraft ist und bleibt ein wichtiger Baustein für die Energiewende hierzulande – mit ordentlichen Renditemöglichkeiten.