„Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.“ Diese Stammtischparole wird im Fall Hoeneß jedenfalls nicht bestätigt, ganz gleich, ob und wie der Bundesgerichtshof über eine Revision entscheiden wird. Und doch fällt für viele selbst ernannte Tugendwächter, Schlagzeilenmacher und hämische Claqeure das Urteil gegen den Präsidenten des FC Bayern München angesichts der ungeheuren Summe von 27 Millionen Euro hinterzogenen Steuern noch immer viel zu gering aus. Nur wird dabei häufig übersehen, dass es sich nicht um diejenigen Steuern handelt, die Hoeneß auf seine Einkommen als erfolgreicher Wurstfabrikant und mega-erfolgreicher Manager des inzwischen elftreichsten Sportvereins der Welt (von 1979 bis 2009, seitdem ist er Präsident des FC Bayern) entrichten musste. Solange es nicht um sein unfassbar hohes Spielgeld geht, ist er sauber.
Aber Ulrich „Uli“ Hoeneß war ja auch immer eine Reizfigur, die polarisiert hat. Er redete Tacheles, teilte ordentlich aus, aber es ist seine bisherige Lebensleistung, die ihm das erlaubte – und die beschränkt sich keineswegs aufs harte Fußball-Managementgeschäft mit seinen schwindelerregenden Transfergeschäften.
Hoeneß hatte dabei immer das große Ganze im Blickfeld, vor allem „seinen“ FC Bayern, aber auch den deutschen Fußball auf internationaler Ebene. Doch gleichzeitig übersah er nicht ein einziges menschliches Schicksal, von dem er erfuhr oder das an ihn herangetragen wurde. So zog er Gerd Müller aus dem Alkoholsumpf und kümmerte sich persönlich um viele weitere Spieler und ehemalige Profis (Schwarzenbek, Schwabl, Deisler, Scholl, Breno), wenn die in private, seelische oder finanzielle Turbulenzen gerieten. Er rettete (nicht nur) den FC St. Pauli vor dem finanziellen Kollaps, er organisierte Knochenmark-Typisierungsaktionen für zwei junge Männer, die an Leukämie erkrankt waren. Vor allem aber hielt er stets Wort. Und alles, was er bisher anpackte, tat er zudem mit großer Besessenheit. Nur so lässt sich seine pathologische Zockerei auf dem Online-Börsenparkett vermutlich erklären. Dummerweise stand diesem empathischen Menschen aus Überzeugung jedoch kein Hoeneß zur Seite, der ihn vielleicht hätte wachrütteln können: für eine klarere Sicht und eine Rückbesinnung auf sich selbst. Eine (wahrscheinliche) Suchtkrankheit (Dummheit kommt ja nicht infrage) schützt jedoch vor Strafe nicht. Einmal, 1982, überlebte Hoeneß als einziger Passagier einen Flugzeugabsturz.
Das persönliche Fiasko seiner Verurteilung ist ein noch tieferer Fall. Doch gerade gegen solch eine tragische Figur tritt man nicht nach.