Mit ihrem Missbrauchsbericht gewinnt Kirsten Fehrs Vertrauen
Sexueller Missbrauch in der Kirche – wie ernst meint es die Nordkirche mit der Aufklärung des Ahrensburger Skandals? Spätestens seit der Synode am Sonnabend dürfte deutlich sein: Mit beispielloser Offenheit und Respekt vor den noch immer traumatisierten Opfern treibt die Institution Aufarbeitung und Unterstützungsleistung für die Betroffenen voran.
Vor allem der Bericht der Hamburger und Lübecker Bischöfin Kirsten Fehrs über das System des sexuellen Missbrauchs in der Kirche dokumentiert einen Paradigmenwechsel. Einerseits wird das System des Missbrauchs unter dem Dach der Kirche, das Vertuschen, Verschweigen und Verdrängen über einen Zeitraum von 20 Jahren selbstkritisch analysiert. Das war öffentlich mit diesen Details längst überfällig. Andererseits erfolgen die Gespräche mit den rund zwölf Betroffenen, die sich bislang gemeldet haben, auf Augenhöhe und nicht – wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen – auf der Ebene von Bittstellern und Gebern.
Dass eine Kultur des unbedingten Zuhörens und Verstehens in der Führung der Nordkirche bei diesem heiklen Thema Einzug hält, spiegelt sich in der sensiblen Sprache des bischöflichen Berichts wider. Ihre äußere Form ist der Ausdruck einer tiefen Scham. Und Ergebnis vieler Gespräche mit den Betroffenen, die bis an die Grenze des Vorstellbaren gingen. Mit diesem Bericht hat Bischöfin Fehrs nicht nur den richtigen Ton getroffen. Die Seelsorgerin selbst ist vielmehr ein Glücksfall für jenen langen Prozess, der für eine ehrliche Aufarbeitung und eine wirksame Prävention sexueller Gewalt in der Kirche steht.
Der Blick muss sich nun in die Zukunft richten, damit so etwas nicht wieder geschieht. Präventionsbeauftragte und unabhängige Ombudsleute sind ein erster Schritt. Nötig ist auch, dass strengere und breiter angelegte Auswahlkriterien für die Übernahme in den kirchlichen und diakonischen Dienst gelten. Und dass in Kirche und Gesellschaft genauer hingeschaut wird, wenn es Verdachtsmomente sexueller Übergriffe geben sollte. Für die Opfer des Ahrensburger Ex-Pastors kommt das freilich alles zu spät.