Hamburg hat viele Unternehmenssitze verloren. Politik und Marketing sind gefragt
Hamburg-Mannheimer, Volksfürsorge, Holsten, Germanischer Lloyd (GL), Öger Tours – die Liste der bekannten Unternehmen, deren Zentralen sich heute nicht mehr in Hamburg befinden, ist lang. Häufig handelte es sich um eigenständige Firmen mit einer langen und bewegten Geschichte. So setzten die Holsten-Braumeister bereits 1880 in Altona ihren ersten Sud an, Herr Kaiser ging für die Hamburg-Mannheimer über viele Jahrzehnte erfolgreich auf Kundenfang, und der Schiffs-TÜV GL entstand sogar schon 1867 auf Initiative mehrerer Hamburger Reeder. Heute empfängt die Holsten-Brauerei ihre Befehle aus der Carlsberg-Zentrale in Kopenhagen, die Hamburg-Mannheimer ist im Düsseldorfer Ergo-Konzern verschwunden, und über die Zukunft des GL entscheiden nun Manager in Norwegen.
Die Gründe für das Aus zahlreicher bekannter Konzernzentralen sind vielfältig. Die Wirtschaftswelt ist enger zusammengerückt, Zukäufe und Zusammenschlüsse auch über Ländergrenzen hinaus gehören zum ökonomischen Alltag. Denn in den meisten Branchen spielt die Größe als Erfolgsfaktor eine nicht zu unterschätzende Rolle. Für regionale Sentimentalität ist kaum noch Platz. Und dennoch stellt sich die Frage: Warum siedeln sich – auch nach Übernahmen oder Fusionen – die neuen Großzentralen nicht an der Elbe an? Meist ist der Hamburger Konzernteil der kleinere und damit schwächere – aber was steckt noch dahinter?
Immer wieder kritisieren Top-Manager das vergleichsweise bescheidene Angebot internationaler Flugverbindungen vom Airport Fuhlsbüttel. Mit Frankfurt und München kann Hamburg nicht konkurrieren. Das Nein zum Großflughafen Kaltenkirchen war deshalb aus ökonomischer Sicht ein Fehler. Denn gerade für die Wirtschaft ist Zeit Geld. Und umständliche Umsteige-Aktionen kosten eben nicht nur Nerven, sondern auch Zeit. Ein Blick auf die Zentralstandorte der Konzerne im Deutschen Aktienindex (DAX) macht dies deutlich: Neun der 30 bundesweit wichtigsten an der Börse notierten Konzerne sitzen im direkten, acht im erweiterten Einzugsgebiet des Frankfurter Flughafens und sieben weitere nahe München. Hamburg kann sich im DAX dagegen nur mit dem Nivea-Hersteller Beiersdorf schmücken – und in ganz Norddeutschland kommt lediglich der Hannoveraner Reifenhersteller Continental hinzu, der sich übrigens 2004 das Harburger Traditionsunternehmen Phoenix einverleibte.
Die Qualität der Verkehrsanbindung ist ein nicht zu unterschätzendes Argument, sich für oder gegen einen Standort zu entscheiden. Und hier hat Hamburg Nachteile gegenüber vielen anderen Metropolen in Europa. Umso mehr muss die Stadt auf anderen Wegen um ihre traditionsreichen Zentralen kämpfen. Denn es ist ein statistisch belegter Fakt: Verschwindet ein Headquarter, verschwinden am betroffenen Standort auch überproportional viele Arbeitsplätze. Die Interventionen der Stadt zum Erhalt von Hapag-Lloyd und Beiersdorf als Hamburger Unternehmen waren deshalb richtig und wichtig. Nicht ausgeschlossen, dass ähnliche Aktionen auch in der Zukunft notwendig sein werden.
Blickt man auf den Branchenmix in Hamburg, so kann man diesen aber ohne Zweifel als gesund bezeichnen. Zwar hat der Finanzsektor unter dem Abzug von Zentralen immens gelitten, die maritime Wirtschaft holte sich ebenfalls größere Schrammen. Doch Hamburg ist weiterhin eine prosperierende Stadt mit einem ökonomisch starken Hafen, einem Luftfahrt-Cluster von Weltrang, international bedeutenden Handelsunternehmen und innovativen Maschinenbauern. Doch wissen das die Manager weltweit? Beim Standort-Marketing hat die Stadt sicherlich noch Nachholbedarf. Hanseatisches Understatement ist hier fehl am Platz.