Andrang bei der Hamburger Tafel wird weiter zunehmen
Die Idee der bundesweit 900 Tafeln, noch genießbare, aber nicht mehr handelbare Lebensmittel an Bedürftige zu verteilen, ist ein Paradebeispiel, wie eine Wohlstandsgesellschaft auch mit ihrem Überfluss sinnvoll umgehen kann. Dennoch ist die Entwicklung, der die Hamburger Tafel wie auch andere im Land ausgesetzt ist, bedenklich: Der Kreis derer, die auf Lebensmittelspenden hoffen, ist so erschreckend groß geworden, dass die Hilfsaktion längst nicht mehr alle, die Anspruch hätten, versorgen kann.
Verarmt unsere Gesellschaft? Ist die als zukünftige Bedrohung empfundene Altersarmut breiter Schichten schon Realität? Ein wütendes Ja reicht nicht und würde die Lebenswirklichkeit in Hamburg und anderen Ballungsgebieten auch nicht widerspiegeln. Die Wahrheit ist komplizierter, auch wenn jeder Versuch, bis zu ihr vorzudringen, schnell als Verharmlosung schlimmer Missstände verunglimpft werden kann.
Dennoch: Die Schwelle, sich an Ausgabestellen, die an Armenküchen früherer Zeiten erinnern, ein Lebensmittelpaket anzunehmen, ist deutlich gesunken. Verständlicherweise. Denn viele sehen darin nicht nur eine Wohltat, sondern einen Zugriff auf das überbordende Angebot der Supermärkte, die bis zum Ladenschluss alle Sorten Joghurt oder Brot vorhalten müssen, um Kunden nicht zu vergraulen. Der Gedanke „Die Sachen landen sonst sowieso im Müll“ verdrängt bisweilen die Kernfrage, ob man wirklich zu den Ärmsten gehört.
Zudem belegt der gestiegene Andrang bei den Tafeln eine Entwicklung, die sich durch die Inanspruchnahme von Hartz-IV-Leistungen für neue Zielgruppen verstärken wird: Gerade aus osteuropäischen Ländern kommen vermehrt mobile Bewohner, die sich selbst am Rand unserer Gesellschaft noch eine bessere Zukunft versprechen als in ihrer Heimat.
Die Tafeln sind sinnvoll und unterstützungswürdig. Und sie machen auf zwei Übel aufmerksam: ein überdimensioniertes Lebensmittelangebot und eine Ausgrenzung vieler vom immer noch satten Massenwohlstand. Das wichtigste Ziel muss deshalb bleiben: die Tafeln überflüssig zu machen.