Bei den Koalitionsverhandlungen fehlt der CDU die politische Vision
Politik kann großes Theater sein. Gerade jetzt, in den Koalitionsverhandlungen, erleben die Zuschauer wieder das Drama einer Partei, der SPD. Das Fürstenpärchen (Sigmar Gabriel und Andrea Nahles) regiert ein rebellierendes Land (Parteibasis), sogar der Frosch wandelte sich zum verwunschenen Prinzen (Gregor Gysi von den Linken). Aber welche Rolle spielt eigentlich die CDU in diesem Stück? Laut Wahlergebnis ist die Partei die Königin. Doch für den Zuschauer nimmt sie in den Koalitionsverhandlungen nur eine Nebenrolle ein.
Man hört wenig von der CDU, kein Säbelrasseln, kein großes Ringen um Ideen und politische Haltung. Vor allem ein Wort beherrscht bisher den Bühnentext der Christdemokraten: Nein! Nein zur doppelten Staatsbürgerschaft. Nein zur Gleichstellung der Homo-Ehe. Ein leises Nein zum Mindestlohn. Aber auch ein Nein zu Schulden und ein Nein zu Steuererhöhungen. Die Politik der Union ist vor allem ein großes: Nein, nichts Neues. Stattdessen: Weiter so! Es lief ja sehr gut für die CDU mit der Hauptdarstellerin Angela Merkel an der Spitze der Partei und als Kanzlerin.
Und damit sind die Koalitionsverhandlungen der CDU vor allem eine Fortsetzung des Wahlkampfs, genauso zugeschnitten auf Merkel, nicht auf Inhalte. Die Merkel-Partei perfektioniert das Politik-Management, das Steuern von Interessen und Stimmungen. Und nun verlässt sich die Partei offenbar auf Merkels Geschick in den abschließenden Gesprächen mit CSU und SPD.
Dabei verpasst die CDU eine Chance: Sie entwirft keine Vision für Deutschland. Die SPD fordert viel und laut, sie streitet sich dafür auch mit den eigenen Mitgliedern. In der Union ist der größte mediale Aufreger ein bayerischer Ministerpräsident und seine Maut für Ausländer. Es hat auch etwas Angenehmes, dass die CDU nicht jeden Tag alle ihre Spitzenpolitiker vor Mikrofone schickt. Denn abgerechnet über den Koalitionsvertrag wird am Ende. Gut möglich, dass Merkel und die CDU mit Unaufgeregtheit, stiller Strategie und Machtinstinkt die SPD unter den Tisch verhandeln. Doch die großen Ideen für eine Zukunft managt sie gleich mit unter den Tisch.