Die Reedereien zerstören sich durch Preiskampf selbst

Leidet eine Wirtschaftsbranche unter zu niedrigen Preisen und hohen Überkapazitäten, greift nach gewisser Zeit meist zuverlässig der Mechanismus des Marktes: Schwache Unternehmen gehen unter, sie werden übernommen oder fusionieren zu größeren Einheiten. Das funktioniert auf offenen Märkten weltweit in den meisten Branchen zumeist ganz gut. In allen Branchen? In der Schifffahrt nicht. Seit 2009 erleben die Reedereien im Gefolge der Welt-Finanzmarktkrise eine der schlimmsten Rezessionen der vergangenen Jahrzehnte. Längst hätten etliche Schifffahrtsunternehmen pleitegehen, hätten größere kleinere schlucken müssen. Doch was geschieht? Wirtschaftlich ohnehin geschwächte Unternehmen liefern sich aggressive Preiskämpfe. Reedereien beladen ihre Schiffe so nah wie möglich an 100 Prozent Auslastung, koste es, was es wolle.

Hinzu kommt, dass unrentable Schiffe nicht so einfach vom Markt verschwinden, weil sie nicht im erforderlichen Umfang verschrottet werden. Das Geschäft ist in etliche kleine Einheiten fragmentiert, Tausende Schiffe firmieren jeweils unter einem eigenen Unternehmen. Das betrifft vor allem die Container-Linienfahrt, in der deutsche Charterreeder, aber auch deutsche Banken und Privatanleger eine wesentliche Rolle spielen. Wenn ein Frachter oder Tanker pleitegeht, verlieren Banken und Anleger im schlimmsten Fall ihr Kapital komplett. Das Schiff wird zwangsversteigert – und fährt unter der Regie eines neuen Eigners weiter, der es billig erworben hat und der es deshalb zu niedrigen Preisen mit anderen konkurrieren lassen kann.

Seltsame Traditionen und fragwürdige Marktmechanismen tragen dazu bei, dass die Schifffahrt ihre Krise nicht auskuriert. Preiserhöhungen würden der Branche nützen, die übrige Wirtschaft aber kaum ernsthaft belasten, weil die Transportkosten je Stück insbesondere im Container nur noch einen verschwindend geringen Anteil am Endpreis ausmachen. In der Theorie weiß das natürlich jeder Reeder ebenso wie die Branche insgesamt. In der Praxis aber fährt jeder seinen eigenen Kurs, wohin auch immer.