Die Verwerfungen um den Euro erreichen den Wohnungsmarkt. Die Politik zaudert

Vermieter sollte man sein: Während Sparkonten und Schatzbriefe nur noch mickrige Zinsen in homöopathischen Höhen abwerfen, sind die Hamburger Mieten in den beiden zurückliegenden Jahren um durchschnittlich 5,7 Prozent gestiegen. Diese beiden Zahlen haben viel miteinander zu tun – sie beide sind Folge der Schuldenkrise in Europa.

Auf der Suche nach Sicherheit investieren viele in- und ausländischen Anleger in Deutschland. Sie kaufen einheimische Staatsanleihen – oder noch lieber Immobilien. Makler weisen darauf hin, dass längst auch vermögende Anleger aus Krisenstaaten wie Italien, Spanien oder Griechenland in deutschen Großstädten Betongold kaufen; zudem streben viele Deutsche angesichts niedriger Hypothekenzinsen in Immobilien. Selbst Doppelhaushälften kosten in den Elbvororten inzwischen über eine Million Euro, manche Eigentumswohnung in Eimsbüttel wechselt schon nach vier Jahren mit einem Preisaufschlag von 50 Prozent den Besitzer. Solche Wundergeschichten machen die Runde beim Party-Small-Talk oder in Kantinengesprächen und heizen den Immobilienmarkt weiter an. Die Bundesbank äußerte angesichts der Preissprünge in Städten wie Hamburg „Befürchtungen hinsichtlich eines breit angelegten Immobilienpreisbooms“.

Dieser Boom schlägt auch auf die Mieter durch – sie sind das schwächste Glied in der Kette. Wechselt ein Gebäude den Besitzer, wird dieser versuchen, den hohen Kaufpreis rasch wieder hereinzuholen: Günstiger Wohnraum wird saniert oder entmietet, in Eigentumswohnungen umgewandelt oder gar abgerissen: An derselben Stelle entstehen gerade in den beliebten Szenevierteln dann größere Luxuswohnungen für Besserverdienende.

Diese Entwicklung erschüttert die Stadtteile in ihrer sozialen Struktur und hat aus Bürgerinitiativen gegen „Mietenwahnsinn“ oder die Aufwertung von Szenequartieren eine Volksbewegung gemacht. Die Mieten sind dabei nur ein Teil der Kostenexplosion, das Problem verschärften die steigenden Nebenkosten, die sogenannte zweite Miete: So dürften beispielsweise die Heizkosten im laufenden Jahr um bis zu ein Fünftel zulegen; zudem klettern die Strompreise weiterhin ungebremst.

Das Thema Wohnungsmangel ist seit Jahrzehnten zurück auf der politischen Agenda. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat das anschwellende Problem früh erkannt und in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes 2011 gestellt. 2015 wird er sich an seinen Erfolgen messen lassen müssen. Die Bilanz fällt eher gemischt aus. Zweifelsohne hat der Druck aus dem Rathaus die Bezirke zum Handeln getrieben; die Zahl der Baugenehmigungen steigt rasant. Der soziale Wohnungsbau, lange sträflich vernachlässigt, kommt endlich in Schwung. Fraglich bleibt aber, ob selbst die versprochenen 6000 neuen Wohnungen angesichts der verstärkten Zuwanderung genügen. Der Vorstoß, wieder etwas mehr in die Höhe zu denken und einige Gebäude aufzustocken, ist so gut wie richtig – doch auf die Umsetzung wartet man bislang vergebens.

Fraglich in ihrer Wirkung ist die Mietpreisbremse, welche die SPD um Scholz gerade in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt hat. Was wie ein Schutz für Mieter klingt, könnte sich mittelfristig als Investitionsbremse entpuppen – denn sie senkt die Anreize für Bauherren. Und auch sonst gleicht das „Paket für bezahlbares Bauen und Wohnen“ eher einer großkoalitionären Enttäuschung. Die Politik greift rasch mit Verordnungen in die Märkte ein, leugnet aber die eigene Verantwortung. Ein massiver Preistreiber ist der Staat selbst. Aktuell etwa erhöhen vier Bundesländer die Grunderwerbssteuer; Hamburg hat unter Schwarz-Grün den Satz auf 4,5 Prozent angehoben. Am Immobilienboom verdient die Stadt gerne mit.

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur des Abendblatts