Der Hamburger Sportverein diskutiert die richtige Struktur für die Zukunft – aber ohne frisches Geld von Klaus-Michael Kühne hat keines der Modelle eine Chance
Es muss sich etwas ändern. Klar. Und darin sind sich auch wirklich alle HSV-Sympathisanten einig. Nur der Weg dahin liegt noch im Dunkeln. Soll dabei ein Investor helfen dürfen? Hilft der Investor überhaupt? Oder ist er eher eine Bedrohung für den Traditionsclub? Muss die Profiabteilung ausgegliedert werden? Oder würde das dem Verein die Seele rauben? Das sind nur einige von sehr vielen Fragen, die den HSV derzeit in zwei Lager spalten.
Die Initiative HSVplus mit dem früheren Aufsichtsratsvorsitzenden Ernst Otto Rieckhoff hatte den Anfang gemacht. Nun legte Jürgen Hunke nach und präsentierte sein eigenes Modell. Der aktuelle Aufsichtsrat und ehemalige Präsident erhofft sich eine rege Diskussion beider Modelle. Und rege geht es auch zu – allerdings nicht inhaltlich. Beim HSV werden Personen diskutiert, die Protagonisten der Modelle scheinen entscheidender als die Inhalte. Womit es der oft polarisierende Jürgen Hunke sehr schwer haben dürfte, bei der HSV-Mitgliederversammlung am 19. Januar die notwendige Dreiviertelmehrheit für seine Vorstellungen zu gewinnen.
Wobei, wer gewinnt da eigentlich was? „Es geht hier nicht um einzelne Positionen oder Ämterverteilungen“, hatte Rieckhoff erklärt und dabei geschickt eine Troika ehemaliger HSV-Helden (Ditmar Jakobs, Thomas von Heesen, Holger Hieronymus) als prominente Unterstützer seines Modells um sich geschart. Der Effekt zählt!
Auch bei Jürgen Hunke, allerdings nicht so positiv wie bei HSVplus. Hunke wurde kurz nach der Vorstellung seiner Satzungsreform in den meisten Beiträgen im Matz-ab-Blog abgestraft. Ihm vertrauen viele HSV-Anhänger und -Mitglieder offensichtlich nicht mehr. Wie sie die Inhalte finden? Ich habe verschiedene Blogger gefragt, die Hunke zuvor abgeurteilt hatten. Die häufigste Antwort lautete: „Der will doch nur HSVplus verhindern.“
Nun muss diese Antwort nicht zwingend falsch sein. Allerdings zeigt sie das Dilemma auf, in dem sich der HSV derzeit befindet. Es wird weniger inhaltlich als vielmehr über Personen und Gruppen diskutiert. Demnächst wird sich Johannes „Jojo“ Liebnau dazugesellen, der seit Jahren als Vorsänger für die Stimmung sorgt und bei den Supporters hohes Ansehen genießt. Er stimmt mit Hunke und der Initiative HSVplus überein, dass sich etwas ändern muss und will sein eigenes Konzept vorstellen. „Wir machen uns über Alternativen Gedanken, bei denen der Verein keine Anteile verschachern muss“, sagt Liebnau. Eine stattliche Anzahl von Stimmen auf sich zu vereinen dürfte für Liebnau, der sich seit Jahren aktiv an der Vereinspolitik beteiligt und auch schon einmal für den Aufsichtsrat kandidierte, nicht allzu schwer sein. Aber eine Dreiviertelmehrheit? Fast unmöglich.
Bei allen ehrenwerten Mühen, die sich die Reformer machen, wird letztlich ein einziger Mann das Zünglein an der Waage sein, da lege ich mich fest: Klaus-Michael Kühne. Hunke erwähnte bereits, dass Kühne der Einzige sei, der dem HSV jetzt helfen könne. Ich gehe noch weiter und behaupte, dass er allein die Wahl entscheidet. Zwar nicht so plump wie zuletzt, als er sein überhastet und inflationär in alle Medien posauntes „Konzept“ – 25 Millionen Euro Soforthilfe, wenn Felix Magath Vereinschef wird – recht schnell an die Wand setzte. Nein, er kann es in den kommenden Wochen ruhig aus der zweiten Reihe heraus angehen. Alle werben um den Wahl-Schweizer mit der Raute im Herzen. Im Hintergrund wie die Initiative HSVplus oder auch offen wie Hunke.
Am Ende dreht es sich bei allen Debatten nur darum: Dieser klamme HSV braucht jeden Euro für eine bessere Zukunft. Und Kühne hat davon einige Milliarden. HSVplus will Kühne das Tor zum Investieren öffnen und damit, wie Rieckhoff hofft, einen dreistelligen Millionenbetrag einnehmen. Hunke wiederum will Kühne nur als Gönner, als Mäzen einbinden. Und egal, wie gut Liebnaus Konzept auch wird – ohne Kühne hat auch er keine Chance. Alle sind abhängig von einem Geldgeber. Fast schon paradox, dass alle Reformer in ihren Programmen als erste Prämisse ausgeben, die Unabhängigkeit des HSV wahren zu wollen.