Hapag-Lloyd bekommt einen neuen Chef. Die Probleme der Reederei löst das nicht
Über die jüngere Geschichte von Hapag-Lloyd ließe sich ein spannendes Buch schreiben: über die ständigen Querelen bei der Neuordnung des Eignerkreises, die Kampagne Hamburger Investoren für einen Verbleib der größten deutschen Linienreederei in der Hansestadt, über geplante und wieder abgesagte Börsengänge und vor allem: über die Weltfinanzmarktkrise, die zur schwersten Rezession der internationalen Schifffahrt in den vergangenen Jahrzehnten führte.
Michael Behrendt, seit 2002 Vorstandsvorsitzender, hat Deutschlands traditionsreichste Reederei respektabel durch diese schwere See geführt. Hapag-Lloyd fuhr in den vergangenen Jahren wie fast alle großen Linienreedereien Verluste ein, aber sie fielen vergleichsweise gering aus, anders als bei anderen Branchengrößen wie etwa Weltmarktführer Mærsk aus Dänemark. Mit der Einbindung in die Schifffahrtsallianz G6 behauptet sich Hapag-Lloyd stabil als fünftgrößte Container-Linienreederei.
Zur Mitte des kommenden Jahres wird Behrendt die Führung von Hapag-Lloyd an den niederländischen Logistikmanager Rolf Habben-Jansen übergeben und sich, wie lange geplant, aus dem operativen Geschäftsleben zurückziehen. Habben-Jansen steht, als deutlich jüngerer und international erfahrener Manager, für einen Neuaufbruch bei Hapag-Lloyd. Frischer Wind kann der Hamburger Reederei guttun: Hapag-Lloyd ist nicht einfach ein Schifffahrtsunternehmen, sondern in der deutschen maritimen Wirtschaft eine Art Institution, allein aus seiner langen und teils glanzvollen Geschichte heraus. Institutionen aber drohen in ihren Ritualen und ihrem Habitus zu erstarren. In der heutigen, wirren Wirtschaftswelt ist das ebenso riskant wie geschäftlicher Opportunismus und ständige Strategiewechsel.
Im Tagesgeschäft steht Hapag-Lloyd vor dem Führungswechsel solide da. Mit der Übernahme des Vorstandsvorsitzes durch Habben-Jansen aber sind die zentralen Probleme des Unternehmens nicht gelöst. Zwei Einflussgrößen werden die kommenden Jahre bestimmen: Wann endet die Schifffahrtskrise, die geprägt ist von Überkapazitäten und schlechten Transportpreisen für Container bei gleichzeitig hohen Brennstoffkosten für die Schiffe? Und wem gehört die Reederei in naher Zukunft?
Der Touristikkonzern TUI, derzeit mit 22 Prozent beteiligt, will bei Hapag-Lloyd aussteigen, die Stadt Hamburg ihre 37 Prozent reduzieren. Was der Unternehmer Klaus-Michael Kühne mit derzeit 28 Prozent Anteil plant, ist ungewiss. Der heutige Kreis der Aktionäre beschreibt vor allem die Rückschläge bei der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse in den vergangenen Jahren. Doch er steht nicht für eine gemeinsame, längerfristige Strategie. Die Stadt will Arbeitsplätze am Standort sichern, Kühne als Hamburger Lokalpatriot mit Sitz in der Schweiz respektiert werden und nebenbei gutes Geld verdienen. Den Eignern, die aussteigen wollen, geht es um einen hohen Preis für ihre Anteile.
Für Hapag-Lloyd ist das ein schlechtes Fundament. Denn die Anteilseigner sitzen in einer Zwangsgemeinschaft, keinesfalls aber in einem Kreis überwiegend begeisterter Schifffahrtsunternehmer. Kann Hapag-Lloyd seine Position als eigenständiges Unternehmen halten? Oder kommt das Thema einer Fusion wieder auf den Tisch? Das Beste für die deutsche Linienschifffahrt wäre ein Zusammenschluss von Hapag-Lloyd mit der Reederei Hamburg Süd, die der Industriellenfamilie Oetker gehört. Gespräche darüber aber sind im Frühjahr wieder einmal gescheitert, vor allem an der Frage, wer nach einer Fusion wie viel Einfluss bei dem neuen Unternehmen ausüben darf.
Die Bestellung eines neuen Vorstandsvorsitzenden zu einem so frühen Zeitpunkt ist ein gutes Signal. Aus der Krise aber kommt Hapag-Lloyd allein damit noch längst nicht heraus.